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Die virtuelle Ferrari-Mütze ■ Von Jürgen Roth
Laut 98er Pakt hatten sich die Delegationen Wegberg – i. e. Rudi Röhrl, Pedro Paolo Pauli, Thomas „Toranosuke“ Takagi sowie Carsten Coolheart – und Frankfurt am Donnerstag, den 26. August, auf dem Campingground Stavelot/ Spa-Francorchamps zur Begutachtung und Prüfung des 12. Formel-1-Weltmeisterschaftslaufs eingefunden – bzw. waren wir, die mehrheitlich hessische Viererbande Michaela, Bruder Thomas, Qualitätskontrolleur Krautauch und ich, bereits mittwochs gelandet, um ein Rennen, „so langweilig wie ein Aquarium ohne Fische“ (Express, 30. 8.), zu verfolgen.
„Muss es denn immer Bier sein?“, fragte Krautauch während der ersten Kilometer. Ich bejahte. „Spa heißt: Eau-Rouge-Kurve, Sturzregen am Rennsonntag und fünf Tage Dosentrinken. Erst alle drei Ingredienzen zusammen sind das Salz in der Suppe der Speedsensation.“ – „Soso. Ich werde mit meiner Bronze-Arschkarte auch mal gemütlich essen gehen.“ – „Weichei!“ Die Stimmung stieg.
Wir enterten Malmedys führenden Supermarkt GB Maxi. Leider hielt man Jupiler Knal Prijs nicht vorrätig. „Motto der Woche: 'Schlecht essen, schlecht trinken‘ “, kollerte Krautauch.
Überm Skat verpassten wir fast den Zeltaufbau, schliefen aber unter schlaffen Planen irgendwann ein. Morgens stand die Sonne hoch und hell, Blasebalge und Luftpumpen, Mozartmusik und tackernde Kompressoren weckten uns. „Den ganzen Schrott muss man zu Klump hauen“, entschied Krautauch und ergänzte „Eating ist im day plan im Megasnack!“ Dort, an der Dorfstraße, rumsten die ersten Lkws der Technofaschisten. Meine Frites naturel mundeten merkwürdig – wegen des Zähneputzens mit warmem Restbier?
Als die guten Wegberger und Ferrari-Verbündeten eintrafen, erklärte man sich solidarisch, d. h. die Flüssignährung zum Programm. Die Verwahrlosung machte demzufolge flotte Fortschritte. Bei Tageslicht galt es „abzulitern“ (Carsten), abends die Fanwettkämpfe zu supporten und den Häkkinen-Schreiern ein überzeugend dramatisches „Schumi – Eddie!“ entgegenzugrölen.
„I don't like Ungemütlichkeit“, knarzte derweil Krautauch. „Schraddeln und schroten!“ opponierte Rudi oder Pauli oder Thomas. „Los!“ Während des Marsches Richtung Start/Ziel wollte ich meine Ferrari-Mütze justieren und fand nur nasses Haupthaar. Fortan trug ich sie virtuell, Bruder Thomas schwitzte etwas stärker, Michaela forcierte das „Shadow searching“. Ich erwarb auf einer der Dreistundenwanderungen durch trunkene Leiberlager und Kompanien selig duller Köppe seltenes Spaten-Bier von einem Ticketsucher, Krautauch tadelte die Formel 1 wegen der „hohen Bioenergiefreisetzung“, willing Wegberg focht gar nichts mehr an.
Ein trockenes Rennen fand dann auch statt. Montag früh erwachte ich und sinnierte, wer gewonnen hatte. Krachkrautauchs Stimme fuhr dazwischen und meldete: „Kofferraumchaos is a must.“ Er packte, ich vermisste schon wieder den Klang der 20.000 PS. „Du Müdmann! Ich will noch den Hirsch- und Saupark Daun checken!“ Gesagt, getan – und eine Weide ohne Wildschweine gesehen.
That's Spa – spitze bis zum letzten „Spaten-Quatsch“ (G. Polt).
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