: „Die sogenannte UNO-Schutzzone Sarajevo“
■ Nachdem in der bosnischen Hauptstadt sechs Kinder beim Rodeln getötet worden sind, fordert der bosnische Außenminister Silajdžić erneut Luftangriffe
Sarajevo (AP/AFP) – Nachdem am Samstag bei einem Granatenangriff auf Sarajevo sechs Kinder getötet wurden, sind die Forderungen nach einem härteren Vorgehen der UNO in Bosnien erneut lauter geworden. In einem Brief an UNO-Generalsekretär Butros Ghali schrieb der bosnische Außenminister Haris Silajdžić: „Wie oft hat es geheißen, daß die UNO nicht zulassen will, daß Sarajevo die Luft abgeschnürt wird?“ Der Granatenangriff auf die spielenden Kinder beleidige die internationale Gemeinschaft, sei ein Hohn für die UNO und ein Zeichen der Sinnlosigkeit der bisherigen Bemühungen um Frieden. „Diese Kinder haben in einer der sogenannten Schutzzonen der UNO gespielt, keine 200 Meter vom Hauptquartier der UNO- Streitmacht in Sarajevo entfernt.“
Die Geschosse waren am Samstag gegen 13.00 Uhr im Viertel Alipasino Polje eingeschlagen. Zu diesem Zeitpunkt spielten – angelockt vom neu gefallenen Schnee – viele Kinder draußen. Sechs von ihnen waren sofort tot, mindestens drei wurden verletzt. Darunter ist ein Kind, das sein Augenlicht verlor. Das Fernsehen zeigte Bilder von Blutlachen im Schnee und blutbefleckten Schlitten. In der Stadt wurde nach dem Granatbeschuß Alarm ausgerufen; die Bevölkerung sollte in ihren Häusern bleiben. Ein Unprofor-Sprecher erklärte vor Journalisten in Sarajevo, UN-Spezialisten hätten den Einschlagsort untersucht, ohne jedoch den Schußwinkel bestimmen zu können. Damit sei auch nicht feststellbar, von welcher Position aus die Granate abgeschossen wurde. Es sei jedoch kaum vorstellbar, daß die muslimischen Truppen ihre eigenen Wohnviertel beschössen. Mit dem Angriff endete eine Woche relativer Ruhe in der Hauptstadt.
Luftangriffe gegen die serbischen Belagerer forderte bei einem Besuch in Malaysia auch der bosnische Präsident Alija Izetbegović. Die UNO habe 30 Resolutionen zu Bosnien-Herzegowina verabschiedet, von denen allerdings nur jene umgesetzt würden, die „gegen die Interessen des bosnischen Volkes“ gerichtet seien. Unterdessen hat sich die Europäische Union hinter ihren Jugoslawien-Vermittler Lord Owen gestellt. Die Abberufung des stark kritisierten Vermittlers hatte das Europaparlament am Donnerstag gefordert. In einer in Athen veröffentlichten Erklärung der EU hieß es, man hoffe, daß Owen und der UNO-Vermittler Thorvald Stoltenberg weiterhin bereit seien, ihre „bemerkenswerten Fähigkeiten“ für die Aufgabe zur Verfügung zu stellen. Allerdings betonte Frankreichs Außenminister Juppé die Notwendigkeit einer „neuen Initiative“ in Bosnien.
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