: Die schwarze Speerspitze der Marktwirtschaft
■ In der südafrikanischen Provinz Natal hat sich der Konflikt zwischen Buthelezis „Inkatha“–Organisation und den Kräften der sozialistisch orientierten Linken zum schleichenden Bürgerkrieg ausgeweitet / Buthelezi hat hochfliegende Ziele
Aus Johannesburg Hans Brandt
Es ist stockfinster in „Angola“. Die Fenster der kleinen Township–Häuser sind dicht zugezogen. Die Straßen sind verlassen bis auf die kleinen Gruppen, die Wache halten. Eine der Gruppen bleibt plötzlich stehen. Am Ende der Straße klirren leise metallene Waffen aufeinander. Dann flammt ein Streichholz auf, kurz darauf ein benzingetränktes Tuch. Ein Molotov–Cocktail fliegt auf das Dach eines Hauses. Im Feuerschein ist eine große Gruppe von Männern zu sehen, bewaffnet mit Speeren, Stöcken und Pangas. Die Wachen blasen Alarm mit lautem Pfeifen. Während Verstärkung kommt, gehen sie auf die Eindringlinge los. Die Angreifer werden vertrieben, doch es ist zu spät. Das Haus steht in Flammen. Zum Glück kam diesmal niemand ums Leben. „Angola“ ist ein Teil des schwarzen Wohngebietes KwaDambuza bei Pietermaritzburg in der südafrikanischen Provinz Natal. Nächtliche Kämpfe, Brandstiftung und Mord finden hier seit Monaten fast täglich statt. Auf der einen Seite stehen die „Impis“ genannten Kampfgruppen der konservativen Zulu–Organisation Inkatha. Ziel der Angriffe sind Mitglieder der linken Widerstandsorganisationen, der Vereinigten Demokratischen Front (UDF) und des Kongresses südafrikanischer Gewerkschaften (COSATU), die für ein sozialistisches Südafrika kämpfen. Fast 200 Menschen sind 1987 in diesem Bürgerkrieg ums Leben gekommen, allein am vergangenen Wochenende wurden neun Menschen ermordet. Es sind Kinder, die in „Angola“ nachts Wache schieben. 12–, 13–, 14jährige haben sich in Verteidigungskomitees organisiert, genaue Alarmsignale vereinbart und zum Teil erste Hilfe zur Behandlung der Verwundeten gelernt. Sie haben ihrer Township den neuen Namen gegeben, ein Zeichen, daß sie UDF–Unterstützer sind. Sie schlafen tagsüber und wachen in der Nacht, damit ihre Eltern nachts schlafen und am Tage zur Arbeit gehen können. Sowohl UDF– als auch Inkatha– Führer haben in den letzten Wochen die Gewalt verurteilt. Erste Friedensgespräche, die letzte Woche von der Handelskammer von Pietermaritzburg organisiert wurden, waren überraschend erfolgversprechend. Sie sollen am 9. Dezember fortgesetzt werden. Doch das Morden geht weiter. Denn die Verfeindung der beiden Gruppen ist tief verwurzelt. Inkatha, die „Kulturorganisation der Zulus“, bildet die politische Basis des Zulu–Führers Mangosuthu Buthelezi, Chefminister des Zulu–Homeland KwaZulu, wo Inkatha als Regierungspartei fungiert. Buthelezi hat Inkatha seit der Gründung der Organisation 1975 gezielt ausgebaut. Die Mitgliedschaft ist für Angestellte der KwaZulu–Verwaltung Pflicht. Wer Lehrer werden will, muß auch Inkatha–Mitglied sein. Mehr noch - wer sich bei den KwaZulu– Behörden um ein Haus bewirbt, oder wer den lokal zuständigen Häuptling der Tradition entsprechend um die Zuweisung eines Stückes Land bittet, muß die Inkatha–Mitgliedschaft nachweisen. Kein Wunder, daß Inkatha rapide gewachsen ist. Heute hat die Organisation mehr als eine Million Mitglieder. Inkatha ist in Südafrika und auch in der Bundesrepublik bei Geschäftsleuten und konservativen Politikern besonders beliebt. Die Organisation präsentiert sich als gewaltfreie Alternative zum verbotenen Afrikanischen Nationalkongreß (ANC). Buthelezi betont immer wieder, die Ziele von Inkatha und ANC seien identisch. Nur die Mittel seien unterschiedlich. Doch anders als UDF und COSATU, die dem ANC auch ideologisch nahestehen, propagiert die Zulu–Organisation ausdrücklich die freie Marktwirtschaft und verurteilt Sanktionen als Druckmittel gegen Südafrika. Inkatha und Buthelezi haben ihre Vormachtstellung in der Provinz Natal schon immer mit Nachdruck verteidigt. Mit der Gründung der UDF 1983 und von COSATU 1985 wurde Inkatha politisch jedoch erstmals ernsthaft herausgefordert. Besonders bei Natals Jugendlichen fand die UDF großen Anklagen und konnte zum Teil starke Organisationen aufbauen. Unzufriedenheit in der Bevölkerung mit dem autoritären Inkatha–Regime trug zum Erfolg der UDF bei. COSATU stieß in Natal in ein Vakuum, da Inkatha sich nie um gewerkschaftliche Interessenvertretung gekümmert hatte. Viele Arbeiter wurden Mitglieder von COSATU, obwohl sie bei Inkatha organisiert waren. Als COSATU sich jedoch immer deutlicher mit der linken Opposition identifizierte, griff Buthelezi ein. Er gründete 1986 die prokapitalistische Gewerkschaft UWUSA. Mitglieder dieser prokapitalistischen Gewerkschaft wurden vorzugsweise als Streikbrecher eingesetzt, was die angespannte Situation weiter verschärfte. Resultat waren unzählige brutale Kämpfe zwischen Arbeitern. In der täglichen Gewerkschaftarbeit konnte UWUSA allerdings keine Erfolge verzeichnen und ist für COSATU keine Bedrohung mehr. UDF und COSATU verurteilen Buthelezi für seine Beteiligung am Apartheid–System und seine ethnisch definierte Politik. Doch Buthelezi versucht seit einigen Jahren, seine Machtbasis auch auf die von Weißen kontrollierten Teile der Provinz Natal auszuweiten. Ihm schwebt ein regionales Parlament vor, in dem Weiße und Schwarze vertreten sein werden. Ein Plan für die Verschmelzung von KwaZulu und Natal ist in einem als „KwaNatal Indaba“ bekannten Diskussionsforum von Schwarzen und Weißen gemeinsam erarbeitet worden. Weiße Unternehmer in Natal unterstützen diese Initiative als einen Reformschritt, der Apartheid in Natal abschaffen soll, gleichzeitig aber das System der freien Marktwirtschaft rettet. Der Plan bedarf jedoch der Zustimmung der Regierung in Pretoria - und Regierungsminister haben wiederholt betont, daß in dem Plan der Schutz der weißen Minderheit nicht gewährleistet sei. Mit der Erfüllung der „Indaba“– Pläne könnte Buthelezi sich andererseits auf eine vielrassische Basis berufen und sich endlich als gemäßigter Führer für ganz Südafrika profilieren. Inkatha bildet das Fundament für Buthelezis hochfliegende Pläne. Deshalb verteidigt die Organisation sich mit besonderer Vehemenz gegen alle Versuche, ihren Einflußbereich zu reduzieren. Daß Inkatha sich selbst als „gewaltfreie Organisation“ beschreibt, ist allerdings eine Farce, gerade in Pietermaritzburg.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen