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Die schöne Welt der Kataloge

Stiftung Warentest verglich Reisekataloge mit der wirklichen Welt: Interessant ist, was weggelassen wurde / Preistabellen sind undurchschaubar  ■ Von Annette Jensen

Traumhafter Naturstrand, strahlende Sonne und eine internationale Atmosphäre verspricht der Katalog dem gestreßten Großstadtmenschen. Das beliebte Hotel hat einen beheizbaren Swimmingpool, ist sauber und zweckmäßig, heißt es weiter. Schnell gebucht — und reingefallen. Tatsächlich finden die UrlauberInnen am Meer einen ungepflegten Sand- und Steinstreifen vor; in den Straßen tobt ein lautes Publikum aus aller Welt und vergnügt sich an jaulenden Spielautomaten. Der Swimmingpool hat zwar eine Heizvorrichtung, ist tatsächlich aber lausekalt. Aus dem Wasserhahn im Zimmer kommt nur zwei Stunden am Tag ein magerer Wasserstrahl und der Putz bröckelt von den Wänden.

Die Stiftung Warentest hat ihre MitarbeiterInnen mit den Katalogen von zwölf Reiseveranstaltern nach Mallorca geschickt. Sie verglichen die Bilder und Beschreibungen von 72 Hotels mit der Realität und entdeckten viel Irreführendes. „Echte Falschmeldungen sind zwar kaum noch anzutreffen — die Anbieter wollen offensichtlich Reklamationen und Regreßansprüche vermeiden“, resümierte gestern Carl-Heinz Moritz, der bei dem Verbraucherverband den Bereich Dienstleistungen leitet. „Geschönte Bilder, blumige Texte und undurchsichtige Preistabellen“ seien jedoch fast bei allen Anbietern zu finden. Vor allem aber werde viel verschwiegen: Die laute Straße vorm Haus, das zerfallene Nachbargebäude, die ins Meer eingeleiteten Abwässer.

Massive Kritik hat Stiftung Warentest an den oft völlig unverständlichen Preistabellen der Reiseanbieter geübt. Je zehn Leute mit und ohne Pauschalreiseerfahrung und zehn ReisebüromitarbeiterInnen sollten ausrechnen, wieviel eine Schnäppchenreise mit Kinderermäßigung, Sonderpreis und Flughafenzu- und -abschlag tatsächlich kostet. „Das niederschmetternde Ergebnis: 58 Prozent der Berechnungen waren falsch. Die Unterschiede lagen bei mehreren hundert bis zu 1.000 Mark“, faßte Moritz zusammen. Viele scheiterten bereits an unverständlichen Kürzeln wie 14 = 10, was bedeutet: Zwei Wochen bleiben und nur für zehn Tage zahlen. Auch unter den ReisebüromitarbeiterInnen kamen 40 Prozent zu falschen Resultaten.

„Testsieger ist — dies erleben wir selten — der Marktführer TUI“, verkündete Moritz. Nur der Branchenriese, mit dem im letzten Jahr 4.414.000 Leute in die Ferien reisten und dafür 5,1 Milliarden Mark ausgaben, konnte sowohl beim Wahrheits- und Informationsgehalt als auch bei der Nutzerfreundlichkeit ein „gut“ kassieren. Alltours hingegen bekam durchweg ein „mangelhaft“ verpaßt.

Aber trotz des Risikos eines Urlaubs aus dem Katalog wird diese Reisegestaltung immer beliebter. 43 Prozent der Erholungssuchenden buchten im letzten Jahr für ihre Hauptreise ein Pauschalangebot; 1986 waren es erst 35 Prozent gewesen. Und entsprechend boomt die Branche. Umsatzzuwächse von 13 Prozent konnte der Deutsche Reisebüro Verband (DRV) 1994 vermelden. „Ein tolles Jahr“, schwärmt Pressesprecherin Ariane Alzer.

Allerdings kommt der Tourismusindustrie die enorme Nachfrage in der letzten Saison jetzt wie ein Bumerang entgegen: Optimistisch haben die ManagerInnen hohe Kontingente angefordert und müssen jetzt viele Reisen auf dem Last- minute-Markt billig anbieten. Fünf bis acht Prozent der Pauschalreisen werden 1995 erst wenige Wochen oder Tage vor Abflug losgeschlagen. „Das ist aber nicht normal und wird im nächsten Jahr auch nicht so bleiben“, versucht Alzer einen entsprechenden Trend für die Zukunft abzubiegen. Weil 1995 nur mit einem Zuwachs von zwei bis fünf Prozent zu rechnen sei, würden die Veranstalter für die nächste Saison weniger Betten und Flüge bestellen.

Von dem Vorschlag, Last-minute-KundInnen schlechter zu behandeln, um die lange im voraus buchenden Leute nicht zu verärgern, ist der DRV inzwischen wieder abgerückt. Nicht nur die Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände hatte das Ansinnen als „dumm und unverschämt“ abgelehnt. Auch die Reiseveranstalter selbst hielten nichts davon. „Wir werden keine Abstriche am Service machen und durchgängig Qualität garantieren“, versicherte NUR-Sprecher Gunter Träger. Damit er damit Recht hat, muß seine Gesellschaft – mit 2.887.000 Buchungen und einem Umsatz von etwa drei Milliarden Mark im letzten Jahr Branchenzweiter – allerdings erst einmal die mangelhafte Nutzerfreundlichkeit ihrer Kataloge verbessern.

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