: Die neue Mülheimer Freiheit
Seit einem guten Jahr hat das einst etwas verschlafene Mülheimer Museum eine neue Direktorin. Mit Beate Ermacora ist die internationale Kunstszene hier jetzt angekommen. Zur Zeit zeigt sie mit Robert Lucander zeitgenössische Kunst aus Finnland
VON KATJA BEHRENS
Mülheim an der Ruhr ist dem Kulturpublikum in Nordrhein-Westfalen in erster Linie wohl wegen seines Theaters bekannt. Die bildende Kunst spielte – zumindest in den letzten 10 Jahren – so gut wie keine Rolle und das war – mit Blick auf die kunstvolle Nachbarschaft an Rhein und Ruhr auch nicht wirklich tragisch. Doch mit Ernennung der Österreicherin Beate Ermacora zur neuen künstlerischen Leiterin des „Kunstmuseums Mülheim an der Ruhr in der Alten Post“ verband sich vor gut einem Jahr die Hoffnung, die Stadt endlich auch in die Kunst-Landkarte der gesamten Region einzuschreiben. Denn das Museum hatte jahrlange zwar eine engagierte, aber zu sehr auf die rheinische Szene konzentrierte Leitung. Die Arbeit, die Beate Ermacora übernommen hat, ist also „eine echte Herausforderung“. Sagt sie selbst. Mit zu wenig Personal und der dünnen finanziellen Ausstattung von 30.000,- Euro für Ausstellungen im Jahr, versucht sie nun mit künstlerisch aktuellen, vorerst aber noch nicht zu provokanten Positionen die Anbindung an die internationale Szene.
In ihrer zweiten Ausstellung zeigt sie zur Zeit neuere Werke von Robert Lucander (1962 in Helsinki geboren). Die erste Museumsschau des finnischen Künstlers in Deutschland findet in Kooperation mit dem Museum Baden in Solingen statt, wo ab September dann eine Auswahl früherer Arbeiten zu sehen sein wird. Schwerpunkt in Mülheim sind die neuesten Holzgemälde- und Aquarellserien, in denen der Künstler die medial vermittelten und unermüdlich wiederholten stereotypen Bilder des modernen Lebens und der Geschlechterverhältnisse in Pop-artige Ikonen verwandelt. Triviale Vorlagen dafür sind Magazine, Plattencover und Werbefotografien und die natürliche Maserungen des hölzernen Bildträgers eine willkommene Grundlage.
Die amerikanische Bildhauerin und Fotografien Ann Mandelbaum, deren fragmentierte Körper-Abformungen als ästhetische Objekte ein seltsam stilles, etwas unheimliches Eigenleben zu führen scheinen, wird ab August in der Alten Post eine Ausstellung haben. Parallel sind Werke der jungen Frankfurterin Julia Oschatz zu sehen. Der Ausblick in die nähere Zukunft der wieder erweckten Kunststätte ist also verheißungsvoll und vielversprechend. Im nächsten Jahr sind Ausstellungen mit Daniele Buetti und zur zeitgenössischen Skulptur geplant, doch das gibt das Budget nicht her – Partner werden noch gesucht.
Bevor sie nach Mülheim kam, war Beate Ermacora drei Jahre lang Kuratorin und stellvertretende Museumsleiterin in Krefeld, davor arbeitete sie neun Jahre an der Kunsthalle Kiel. Neben dem Ausstellungsbetrieb gilt es nun, in der Stadt auch die ständige Sammlung des Museums zu betreuen. Die speist sich aus zwei Stiftungen und wird glücklicherweise von dem 1979 gegründeten Förderkreis unterstützt. Denn mit einem Ankaufsetat von Null Euro dürfte es recht schwierig sein, die Expressionisten-Sammlung lebendig fortzuschreiben.
Einige Highlights, wie ein großes Gemälde von Lionel Feininger, daneben die in allen kommunalen NRW-Museen auftauchenden Mackes, Marcs, Noldes und Campendoncks werden ab und an zwar für Ausstellungen ausgeliehen. Ansonsten aber schläft die Sammlung einen recht ungestörten Dornröschenschlaf. Das großzügige Haus bietet zwar allen Werken genügend Platz, eine Renovierung und Neustrukturierung könnte es aber durchaus vertragen: An den gräulichen Kacheln im Untergeschoss und dem angeschmuddelten Teppichboden in der oberen Etage lässt sich ablesen, dass der Präsentation in der Vergangenheit offenbar nicht allzu viel Bedeutung beigemessen wurde. Ein Sachverhalt gegen den die Direktorin bereits mit viel Engagement ins Feld rückt.
Das 50-jährige Jubiläum des Mülheimer Kunstvereins in diesem Jahr – ja auch den gibt es, wenngleich er weder über eigene Räume noch über eine Leitung verfügt und sich beides zeitweise vom Museum borgen muss – wird vor Weihnachten eine Reihe berühmter Mülheimer zusammenbringen, die vermutlich eine recht eigenwillige Ausstellungsperformance kreieren werden: Die Künstlerin Dorothee Golz und Helge Schneider und – aus Oberhausen eingemeindet – der Film- und Theaterregisseur Christoph Schlingensief. Sie sollen gemeinsam mit 15 heimischen Künstlern die Feierlichkeiten beglücken.
Robert Lucander: Bis 23. JuliAnn Mandelbaum: Ab 10. AugustInfos: 0208-4554138