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■ Die jetzigen Positionen sollen nur eingefroren werdenSchnelle Eingreiftruppe–aber wozu?

Interview mit Kresimir Zubak, Präsident der kroatisch-bosniakischen Föderation und Präsident des nicht anerkannten bosnisch-kroatischen Staates „Herceg-Bosna“.

taz: Die sogenannte Schnelle Eingreiftruppe, die mit einem ersten Kontingent seit dem 5. Juni in Bosnien-Herzegowina anwesend ist, soll den bisherigen UNO- Truppen mehr Rückhalt geben, so jedenfalls lautete die erste Begründung für ihren Einsatz. Sie als Präsident der kroatisch-bosniakischen Föderation haben jetzt nicht nur Bedenken angemeldet, sondern diesen Truppen eine Frist gesetzt. Was sind denn Ihre Bedenken?

Kresimir Zubak: Es gibt viele unklare Punkte. Wir sind über den Auftrag der Schnellen Eingreiftruppe und ihre Befehlsstruktur von den entsprechenden dafür zuständigen Leuten der UNO bisher noch gar nicht informiert worden. Wir wurden auch nicht um die Erlaubnis für die Installierung dieser Truppen gefragt.

So wurde zum Beispiel ein Teil der britischen Eingreiftruppen in die Nähe von Tomislavgrad verlegt. Der britische General Pringle hatte jedoch lediglich gebeten, dort eine Übung der normalen Unprofor-Truppen abhalten zu dürfen. Auf Nachfragen wurde uns schließlich von General Smith, dem Kommandeur der Unprofor- Truppen in Sarajevo, ein Informationsblatt zugeschickt. Nachdem die britischen Truppen rund um Tomislavgrad die Landschaft und die Felder ruiniert hatten, gab es Unruhe unter der Bevölkerung. Und danach tauchten plötzlich französische Einheiten auf. Wir mußten jetzt etwas unternehmen, deshalb haben wir den neu angekommenen Truppen dieser sogenannten Schnellen Eingreiftruppe eine Frist von 30 Tagen gesetzt. Bis zum 29. Juli muß der Auftrag dieser Truppen völlig geklärt sein, sonst müssen sie wieder abziehen.

1.000 französische Soldaten sitzen in der Hafenstand Ploce, und 1.000 sind schon in Tomislavgrad in der Westherzegowina. Dazu werden noch britische Truppen hierher verlegt. Wie soll Ihr Verdikt denn konkret ablaufen?

Die in Kroatien neu angelandeten Truppen haben in Kroatien zu bleiben, sie werden unser Territorium nicht erreichen. Für diejenigen Truppen, die schon hier sind, gilt die 30-Tage-Regelung.

Jetzt sind auch deutsche Truppen dabei. Ihr Urteil?

Bisher kommen sie nicht als Bodentruppen, sie werden offenbar in anderer Weise eingesetzt. Wir müssen auch in diesem Fall sehen, was der eigentliche Auftrag ist. Das ist unsere einzige Frage.

Was vermuten Sie denn, was könnte denn Ihrer Meinung nach der Auftrag dieser Schnellen Eingreiftruppe sein?

Ich habe dazu nichts zu sagen, ich weiß es nicht. Nicht einmal, wo sie stationiert sein sollen. Lassen Sie mich aber nochmals betonen: Alle Unprofor-Truppen und alle humanitären Organisationen haben volle Bewegungsfreiheit auf unserem Territorium. Hier braucht die UNO keine Verstärkungen. Warum gehen sie also nicht dorthin, wo sie wirklich gebraucht werden, warum gehen sie nicht nach Srebrenica, Goražde oder nach Sarajevo. Dort müßten sie die Hilfskonvois schützen.

Sie wollen vielleicht nur den Rückzug der UNO-Truppen decken.

Nein, das ist nur Gerede. Hier auf unserem Territorium brauchen die Hilfskonvois keinen Schutz, sie können sich frei bewegen.

Ist die Offensive der bosnischen Regierungstruppen und der kroatisch-bosnischen HVO in Sarajevo durch die Entsendung der Schnellen Eingreiftruppe beeinflußt worden?

Die Offensive auf Sarajevo wurde unternommen, weil die UNO-Truppen nicht das gemacht haben, was ihr eigentlicher Auftrag ist, nämlich, die Zufahrtswege in die Stadt zu sichern.

Von bosnischer Seite wurde vermutet, der Auftrag der Eingreiftruppe sei, die einzige freie, aber unter serbischem Beschuß stehende Route nach Sarajevo, diejenige über den Berg Igman, zu kontrollieren und somit die Lage um die Stadt einzufrieren.

Ja, an dieser Vermutung ist was dran. Die internationale Gemeinschaft will lediglich die Stellungen einfrieren, sie will alles so belassen, wie es ist. Das kann man an dem Vorgehen der UNO in Kroatien ablesen. Das ist unakzeptabel.

Die Regierungstruppen mußten also reagieren und mit der Offensive um Sarajevo beginnen, weil die Eingreiftruppen kamen.

(lacht) Wir werden Schadenersatz von den Briten verlangen.

Wie beurteilen Sie die Offensive?

Die Operation um Sarajevo wird weitergehen. Ziel der Operation ist es, die Blockade von Sarajevo aufzuheben.

Offensichtlich klappt die bosnisch-kroatische Föderation auf militärischem Gebiet. Ist dies auch auf politischem Gebiet so?

Natürlich, der Prozeß geht parallel vor sich. Es geht um gute Kooperation. Wir Kroaten in Bosnien-Herzegowina wollen die Föderation, jetzt gibt's wohl Schwierigkeiten auf muslimischer Seite.

Wann wird der nicht anerkannte kroatisch-bosnische Staat „Herceg-Bosna“ in der Föderation aufgehen?

Wenn die Föderation nach allen ihren Bestimmungen funktioniert.

Was ist Ihre Vorstellung von einem Frieden in Bosnien-Herzegowina, was soll aus Bosnien werden? Soll es geteilt werden oder auch mit dem serbischen Teil wieder zusammenwachsen?

Meine Vision von Bosnien ist, daß es wie die Schweiz sein soll.

So wird es also wieder ein ungeteiltes Bosnien geben?

Auf der Grundlage des Kontaktgruppen-Planes.

Einige Generäle der bosnischen Armee wollen jedoch das gesamte Bosnien zurückerobern. Das wäre nicht im Sinne des Planes der Kontaktgruppe.

Diese Perspektive ist nicht realistisch.

Wenn Bosnien dennoch zusammenbleiben soll, dann müßte eine künftige bosnische Föderation zwei Konföderationen bilden. Die bosniakisch-kroatische Föderation wäre durch eine Konföderation mit Kroatien verbunden, die serbisch-bosnische Seite durch eine Konföderation mit Serbien. Aber das ist doch nicht mehr das Modell Schweiz!

Von einem kroatischen Blickwinkel aus sage ich, daß es kein Wiederaufleben eines irgendwie gearteten Jugoslawien geben kann.

Dann ergibt sich aber ein Widerspruch. Entweder stimmen Sie dem Plan der Kontaktgruppe zu, und Bosnien wird aufgeteilt, oder sie akzeptieren die Konföderationen mit Kroatien und Serbien.

Wir haben bisher jedem Plan, der vorgelegt wurde, ob dem Owen-Stoltenberg-Plan oder dem Kontaktgruppen-Plan, zugestimmt, nur um des Friedens willen, nur um das Schießen zu beenden. Aber wir haben noch nicht über die letztendlichen Lösungen gesprochen. Interview: Erich Rathfelder

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