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Die direkte und die indirekte Militanz

■ Jutta Ditfurth und Johannes Agnoli diskutierten in der ESG zum Thema „Legitimes Gewaltmonopol oder Staatsterrorismus“

Vom Gewaltbegriff zur Strategiedebatte driftete eine Diskussion, die am Donnerstag abend die Grüne Jutta Ditfurth und der Politologe Johannes Agnoli vor und mit gut 200 ZuhörerInnen führten. Angeregt von der Distanzierungswelle, die Jutta Ditfurth im vergangenen Jahr mit ihrer Presseerklärung „Zehn Jahre deutscher Herbst“ ausgelöst hatte, überschrieb die veranstaltende Evangelische Studentengemeinde die Diskussion mit „Legitimes Gewaltmonopol oder Staatsterrorismus“. Damals hatte die Frankfurter Grüne behauptet, „dieser Staat brauchte und braucht fast nichts so sehnsüchtig wie den 'Terror'“ und war dafür auch in ihrer Partei, wie sie sagte, „mehrheitlich gegeißelt“ worden.

Für sie sei die „Schwachsinnsdebatte“ über Gewaltfreiheit oder Gewalt nur ein Zeichen dafür, daß sich die Leute vom Widerstand verabschieden wollten. Nur im Einzelfall könne man entscheiden, welche Widerstandsform - vom Straßentheater bis zur Sabotage - empehlenswert und anwendbar sei. Auch Agnoli empfand die Gewaltdebatte als „aufgezwungen“.

Um die zunehmend „pharisäerhafte Diskussion“, wie ein Zuhörer meinte, in die Berliner Gegenwart zurückzuholen, fragte Jutta Ditfurth, was gegen die „Vorwegkriminalisierung“ der Anti-IWF-Kampagne machbar sei um damit die Mitdiskutanten in „Aufklärer“ und „Aktivisten“ zu spalten.

Der Herbst, meinte einer, wird uns „mit einer ganz erheblich angeheizten Debatte über Gewalt“ konfrontieren. Da helfe nur, mit den Leuten zu reden, meinte ein anderer, um sie über die Zusammenhänge aufzuklären. Damit würde man den Menschen „nur den Kopp vollabern“, kam es zurück - wenn die Aufklärung nichts nutze, meinte der Aufklärer naiv, müsse man kämpfen, „mit allen Folgen, die sich ergeben“.

Da drohte mit Jutta Ditfurth die Hoffnung auf die Massenbewegung durchzugehen. Einerseits müsse die Anti-IWF -Kampagne radikal sein, andererseits aber auch bündnisfähig und aufklärerisch.

Agnoli setzte mehr auf kleine aktionistische Kollektive: Wenn zu hören sei, daß der Innensenator Kreuzberg wieder abriegeln lassen wolle, müßten die Kreuzberger Aktivisten 14 Tage vor der geplanten Groß-Demonstration in andere Stadtbezirke umziehen. Mit etwas konspirativem Denken sei eine „militante Demonstration“ zu organisieren, wenn auch Militanz nicht bedeuten dürfe, anderen auf den Kopf zu hauen, sondern eher im Sinne jenes fast vergessenen Mescalero zu verstehen sei: als spürbare und unbedingte Entschlossenheit.

wvb

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