: „Die beste neue Band Bremens“
■ Heute abend spielen „!Pukkah!“ und „Faruk Green“ im „Kairo“
Während sich heute in Berlin die Parade zur totalen Wiedervereinigung zum zehnten Mal jährt, raved der Stadtteil Walle schon seit gestern. Wenn die Geschwister „Mutlu“ heute abend damit fertig sind, die Berufs-Multikultis in ihre Ecken zu verweisen, treten zwei großartige Bands im „Kairo“ auf.
„!Pukkah!“ heißt eine von ihnen. Sie gab kürzlich in der Buchtstraße ihr Debut mit den New Yorkern „Heal“ und ließ die Menschen zwischen ruckartigen Breaks herumtaumeln. Ein renomierter Musiker einer Ex-Band, der jetzt bei Joachim Witt als Bassist sein Leben fristet, sprach damals von der „besten neuen Band in Bremen“.
„Mindestens die Hälfte von uns“, charakterisiert sich die Band selbst, „die wir seit Juni '97 dabei sind, stehen auf New Wave. Wir machen weiter, wo No Wave aufgehört hat. Dub, Noise, Jazz, Schwebesounds, Horizontale usw.“
„!Pukkah!“ hinterlassen Lücken in der Tanzmusik, die nicht wieder zu flicken sind. Und sie nehmen ihre Brillanz nicht wirklich ernst, legen lieber noch eins drauf. Schlagzeuger Henning hat im Saal der Naturfreundejugend an der Buchtstraße mit Bands wie „Die Auch“, „Start Stop“, „Frisieren“ schon manches Schlagzeugfell verschlissen. Zu Zeiten bei „Feedback Recycling“ war er sogar mit „Flipper“ auf Tour (huh, wow!), bevor das „Gags & Gore“ ihn gegen eine hohe Ablöse als Redakteur für die legendären „British Pages“ verpflichtete, die inzwischen mit großem Erfolg im Internet nachgedruckt werden. In Fachkreisen nennt man ihn auch den „John Peel der jungen, wilden Plakatierer“, und immer wieder fördert er neue Bands zutage wie die jungen Menschen von „Faruk Green“.
Engin, Özgür, Adem und Alexandra aus Bremerhaven streifen als „Faruk Green“ den brasilianischen Jazz wie den instrumentalen Spacefunk oder Bongo Jungle und haben die neue „Beastie Boys“ sicher schon über 100mal gehört. Zwei Singles und einen Sampler-Beitrag haben sie bereits für „33 RPM Records“ aufgenommen, und auch Kalifornien ist schon bereist worden. Seltsam, daß sie noch niemand für die Fachpresse vereinnahmt. Würde sich doch super machen mit Hochglanzfotos – eines Tages vor den Ruinen des maroden Ocean Parks. Dabei die Blut-und-Boden-Diskussion für Anfänger („Wie gastfreundlich ist Deutschland wirklich ?“) und ein Bild von Innensenator Borttscheller, der den Marktplatz fegt. Dazu fällt mir ein, Malcolm McLaren und Jon Savage hatten nach der Wiedervereinigung die Idee einer Ossi-Band, behangen mit Ketten, an denen die Statussymbole der DDR in Gold baumeln sollten. Foto-Shootings waren bereits angesetzt, und die „Eastie Boys“ waren schon gecastet, als die Ausschreitungen in Rostock passierten. Die ausländischen Investoren stoppten sofort die Produktion und verließen das Land. Einstweilen: Don't miss the show !
Tommy Blank, Sound Agent
heute, 11. Juli, 21 Uhr, „Kairo“
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