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■ Die anderenDie "Financial Times" kritisiert den Parteitag der Labour Party / Die "Neue Zürcher Zeitung" befindet, daß die britische Labour Party noch Unsicherheiten ...zeige / "La Repubblica" über den Traditionalismus der Labour Party

Die Londoner „Financial Times“ kritisiert den Parteitag der Labour Party: Die britischen Labour-Minister klingen mehr und mehr wie die Kommunistische Partei Chinas. Deng Xiaoping nannte die Übernahme von Marktprinzipien „Sozialismus mit chinesischem Gesicht“. Jetzt spricht Gordon Brown, der britische Schatzkanzler, von „drei Modernisierungen“ und – ebenso rätselhaft – vom Ziel der „Vollbeschäftigung“. Dies ist in der Tat ein klingendes Wort, wenn es aus der Sicht von Brown auch nicht mehr den von Keynesianern anerkannten Anstrich hat, sondern vielmehr eine Welt von „Arbeitsplatzchancen“ bedeutet. Die Frage ist allerdings, ob Labour selbst diese Definition verwirklichen kann. [...] Browns Rhetorik schafft hohe Erwartungen. Doch, wie Deng hätte sagen können: Enthusiasmus allein ist nicht genug.

Die „Neue Zürcher Zeitung“ befindet, daß die britische Labour Party noch Unsicherheiten in der ungewohnten Regierungsrolle zeige: Achtzehn Jahre lang konnte die Partei und konnten ihre Führer es sich leisten, unbeschwert von aller Verantwortung zu kritisieren und das Blaue vom Himmel zu versprechen; sie brauchten es nicht herunterzuholen.

Jetzt sehen sich Ministerpräsident Tony Blair und seine Mannschaft konfrontiert mit der Komplexität der Regierungsaufgabe, konfrontiert mit den Gegensätzen zwischen schönen Absichten und finanziellem Vermögen, und sie wissen noch nicht recht, wie damit umgehen. Sie verharren immer noch in den Gewohnheiten einer Oppositionspartei, halten sich bei ihren öffentlichen Aussagen im Allgemeinen und riskieren es kaum, sich präzise auf konkrete Details festzulegen. Das wird wohl am Parteitag auch noch nicht geschehen.

Die römische Tageszeitung „La Repubblica“ greift den Traditionalismus der Labour Party an: Dem Babysitter-Staat lebewohl zu sagen bedeutet etwas mehr, als Einschnitten bei den öffentlichen Ausgaben oder den privaten und freiwilligen Serviceleistungen den Vorzug zu geben. Es handelt sich für die Linke und deren Gefühle um einen radikalen Wandel, der zudem sehr gefährlich sein kann.

Zum Verständnis, bis zu welchem Punkt die Labour Party Tony Blairs bereit ist zu gehen, liefert die Entscheidung zum Thema Jugendkriminalität eine bessere Einschätzung als jede Zahl über Haushaltskürzungen. Das Projekt des Innenministeriums sieht beispielweise die Verpflichtung der Eltern schwieriger Jugendlicher vor, ihre Kinder abends um neun Uhr ins Haus rufen. Wenn dies wirklich durchgesetzt würde, wird gleichzeitig die „Kultur der Entschuldigung“ in Frage gestellt, die der Kern der einvernehmlichen Ideologie der Linken im alten Europa gewesen war.

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