: Die alte Angst vor Unterwanderung
Die IG Metall will einen Gewerkschafter ausschließen, der sich zum Sozialismus bekennt/ Gerichtsstreit — vierte Runde ■ Aus Essen Bettina Markmeyer
Vor dem Land- und dem Oberlandesgericht in Frankfurt hat Gregor Bihl gegen die IG Metall gewonnen. Die Gewerkschaft darf ihn nicht ausschließen, weil er öffentlich kundgetan hatte, „gegen jede Ausbeutung des Menschen durch den Menschen“ zu sein und für einen Sozialismus einzutreten, „wie ihn Marx und Engels lehrten“. Auch daß er dies im Gespräch mit einer Betriebszeitung bekannte, in der unter anderen Mitglieder der Marxistisch-Leninistischen Partei (MLPD) schreiben und daß diese Zeitung ihn in einer Auseinandersetzung mit seinem Arbeitgeber unterstützte, sind nach Auffassung der beiden Frankfurter Gerichte keine Ausschlußgründe.
Am Montag verwies nun der Bundesgerichtshof in Karlsruhe den Fall erneut an das Oberlandesgericht in Frankfurt zur Überprüfung. Streitpunkt ist, ob die IG Metall Gregor Bihl in einer eidlichen Vernehmung über seine Parteizugehörigkeit ausfragen darf. Bihl hatte eine solche Vernehmung bisher verweigert.
Der Versuch der IGM, den unbequemen Gewerkschafter loszuwerden, geht damit in die vierte Runde und mittlerweile ins fünfte Jahr. Im Frühjahr 1986 hatte Krupp Widea in Essen versucht, den politisch unliebsamen Bihl zu entlassen. Der Ofenarbeiter ging vors Arbeitsgericht und gewann. Unterdessen hatte er der Betriebszeitung 'Vorschub‘ auch jenes, aus Gewerkschaftssicht, höchst bedenkliche Interview gegeben.
Die IGM-Ortsverwaltung fand, aus Bihls Bekundungen gehe eindeutig hervor, daß er der MLPD angehöre. Die MLPD aber ist laut IGM- Beschluß aus dem Jahre 1982 eine gewerkschaftsfeindliche Organisation. Also beantragten die EssenerInnen beim Vorstand in Frankfurt, Bihl aus dem großen Verein auszuschließen. Vorher schickte die Gewerkschaft noch eine vorformulierte Erklärung an den Ofenarbeiter, in der er sich von „gegnerischen Organisationen“ distanzieren sollte. Dieses tat er nicht, sondern schickte die selbstgeschriebene Mitteilung, er gehöre keiner gewerkschaftsfeindlichen Organisation an. Im Dezember 1986 schloß der IGM Vorstand Gregor Bihl aus.
Daß der Ausschluß rechtens und die Urteile der vorigen Instanzen fehlerhaft gewesen seien, begründet der IGM Vorstand mit der eher anachronistisch anmutenden Unterwanderungstheorie. Da wird schon die Zusammenarbeit mit MLPD-Mitgliedern als Unterstützung gewerkschaftsfeindlicher Organisationen gewertet. Und daß Bihl sich geweigert hatte, die Frage nach der Parteizugehörigkeit zu beantworten, gilt den Inquisitoren von der IGM als glatter Beweis seiner MLPD-Zugehörigkeit. Zugute zu halten ist der IGM bei dieser Hatz eigentlich nur, daß als Bihl sich in Essen zum Sozialismus bekannte, diesem in Moskau die Zunge noch nicht so aus dem Hals hing wie heute.
So reagierte man in Frankfurt denn auch jüngst höchst empfindlich auf einen Protestbrief seitens der KollegInnen von der IG Medien. Die Fachgruppe Journalismus nörgelte, „es widerspricht der im DGB- Grundsatzprogramm postulierten parteipolitischen und weltanschaulichen Toleranz, wenn jemand wegen seiner Überzeugung aus den Reihen der Einheitsgewerkschaft ausgeschlossen wird“.
Die Herrschaften von der IG Medien bewiesen eine „mangelhafte Kenntnis gewerkschaftlicher Strukturen“, rüffelten die Frankfurter MetallerInnen zurück. Man lasse sich nicht „indirekt“ Gesinnungsschnüffelei“ vorwerfen und wäre im übrigen dankbar, „wenn ihr uns zukünftig mit derartig unqualifizierten Schreiben nicht mehr behelligen würdet“.
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