: „Die Wohnungen fehlen nach wie vor“
■ „Mieter helfen Mietern“ zu der neuen Einkommensgrenze für einen §-5-Schein
Wohnungen sind knapp und kosten viel. Durch den sogenannten Paragraph-5-Schein haben weniger Verdienende jedoch die Möglichkeit, eine der rund 200.000 Sozial-Wohnungen in Hamburg zu beziehen. Nun entschlossen sich CDU, FDP und SPD auf Bundesebene, die Einkommensgrenze für eine solche Sozialwohnungs-Berechtigung um 20 Prozent anzuheben. Lag diese Grenze für eine vierköpfige Familie bislang bei einen Brutto-Jahreseinkommen von 54.000 Mark, soll sie nun auf 74.000 Mark steigen.
Die taz hamburg sprach über diese neue Gesetzesregelung mit Achim Woens, Geschäftsführer des Vereins „Mieter helfen Mietern“.
taz: Was bedeutet das neue Gesetz für den Wohnungsmarkt?
Woens: Es gibt mehr Anspruchsberechtigte, aber die Wohnungen fehlen nach wie vor. Deshalb ist die Änderung dieses Gesetzes ein Schuß in den Ofen.
Wieviel Leute sind denn jetzt berechtigt?
Durch die Erhöhung der Einkommensgrenze um 20 Prozent bekommen statt einem Drittel jetzt etwa 40 Prozent der Bevölkerung einen Paragraph-5-Schein.
Ist die Anhebung der Einkommensgrenzen um 20 Prozent sinnvoll?
Die Einkommensgrenzen sind seit 1980 nicht mehr erhöht worden. Aber die allgemeinen Lebenshaltungskosten sind in den vergangenen 14 Jahren um 70 Prozent gestiegen. Damals hatten noch 70 Prozent der Bevölkerung Anspruch auf einen Paragraph-5-Schein. Wenn man heute dem gleichen Kreis die Möglichkeit für eine billige Wohnung geben wollte, müßte die Einkommensgrenze um 70 Prozent erhöht werden.
Wie wirkt sich das neue Gesetz sozial-politisch aus?
Bei den Ärmsten der Armen werden die Chancen noch mehr vermindert. Gab es bislang beispielsweise drei Konkurrenten um eine Wohnung, sind es jetzt vier. Im Zweifelsfall nehmen die VermieterInnen diejenigen mit mehr Einkommen oder welche, die mit den Wohnungen gut umgehen.
Also sind die ein wenig mehr Verdienenden im Vorteil.
Nicht unbedingt. Außerdem fallen immer noch diejenigen aus der Regelung heraus, die nur wenig über der neuen Einkommensgrenze liegen. Die bekommen weder auf dem frei finanzierten Wohnungsmarkt eine Wohnung - im Neubau gibt es keine Miete mehr unter 20 Mark pro Quadratmeter -, und einen Anspruch auf eine billige Wohnung haben sie auch nicht. Das kann auch nicht gewollt sein.
Wie sieht die Lösung aus?
Es gibt nur eine: Es müssen wesentlich mehr Sozialwohnungen her! Ansonsten bleibt da nur die „freigewählte“ Armut durch schmerzhaften Konsumverzicht.
Fragen: Annette Bolz
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