Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
Eine gutdeutsche Lösung für Ägypten, Onlineschlümpfe für Obama, und die CDU arbeitet an einem Gesetz namens „Pillepolle“.
taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht letzte Woche?
Friedrich Küppersbusch: Die alte Bauernregel „Datenschutz interessiert nur ein paar Bürgerrechtsspinner“ bröselt.
Was wird besser in dieser?
Ein vermeintlicher Terroranschlag, und die Debatte kippt.
Ägyptens Präsident und oberster Muslimbruder Mohammed Mursi ist weggeputscht. Auf dem Tahrirplatz feierten Revolution – die Frühlingskinder von 2011 – und Konterrevolution – die alten Mubarak-Kader – fröhlich nebeneinander. Wer feiert länger?
Die Armee. Ihr zuzujubeln statt dem demokratisch gewählten Mursi ist eine erlesen unkeusche Aufgabe für den Westen. Mursi war der erste Zivilist, Nagib, Nasser, Sadat und Mubarak hatten teils hohe Armeeränge bekleidet. Die gutdeutsche Lösung wäre, Mursi in eine Zwangskoalition zu stecken mit einem Vertrauensmann des Westens wie der Armee – ElBaradei. So machten wir es mit dem NSDAP-Veteranen Kiesinger und Brandt; mit der Reformkommunistin Merkel und der SPD. „Innere Aussöhnung“ kann man das hinterher nennen, wenn es gelingt.
Angela Merkel klingelte bei US-Präsident Barack Obama durch und machte ihrem Herzen Luft: Das Ausspähen von Freunden sei nicht okay. Obama, sagte sie hinterher, nehme die Sorgen der Deutschen „sehr ernst“. Was sagten die beiden wirklich am Telefon. Und wer hörte mit?
Regierungssprecher Seibert. Er zitierte: Merkel kondolierte zum Tod von Feuerwehrleuten in Arizona. Dann folgt die charmante Verniedlichungsform „angebliche Aktivitäten des NSA“ , der vermutlich schon in der nächsten Pressemitteilung „NSAchen“ oder „Onlineschlümpfe“ heißt. Und dann ein Junktim: Die Treffen zum Freihandelsabkommen und ein Besuch einer NSA-Aufklärungsdelegation in Washington wurden synchron auf heute, 8. Juli anberaumt. Die USA würden es noch eine Zeitlang ohne Freihandelsabkommen aushalten – Merkel hingegen nicht, wenn Obama heute auspackte, was die Deutschen alles wussten über NSA.
Die russische Exagentin Anna Chapmann hat NSA-Whistleblower Edward Snowden per Twitter einen Heiratsantrag gemacht. Kinder will sie auch. Ist der Transitbereich eines Moskauer Flughafens der richtige Ort, um sie großzuziehen?
Klingt bizarr, doch Julian Assanges Vorstellungen über ein Privatleben in Schweden waren noch deutlich bescheuerter.
Die ARD zeigt den Film „George“, in dem Götz George die Rolle seines Vaters Heinrich (Nebenrolle in „Jud Süß“) spielt, mitten in der Ferienzeit. Da gucke ja keiner zu, mault George, der Jüngere. Hat sich die ARD genau das auch gedacht?
Das Erste sendet das Werk am Tag nach Georges 75. Geburtstag nach einem traditionell quotenstarken „Schimmi“-Tatort. Zudem feierte sie die Georges als Glanzpunkt ihrer Doku-Offensive. Wobei ein Film, in dem George jemand anderen spielt, schon der erweiterte Doku-Begriff sein dürfte. Entlang der Lehrmeinung des „audience flow“ ist die Programmierung goldrichtig und deutet allerdings an, dass der Sender dem Heinrich-George-Film allein nicht genug Auftrieb zutraut. Möge dies ein Irrtum sein!
Die Union streicht die heiße Kartoffel „Vorratsdatenspeicherung“ aus ihrem Wahlprogramm – und ersetzt es durch die weniger bekannte Vokabel „Mindestspeicherfrist“. Mindestens eine Verarschung?
Ähnlich die Kosmetik von „Armutsrente“ zu „Lebensleistungsrente“ oder die pfiffige Idee, die nukleare Kapitulationserklärung „Endlagersuchgesetz“ zu taufen. Langfristig sollte die Bundesregierung die Namenserfinder von Ikea abwerben und Gesetze gleich „Pillepolle“ oder „Dumström“ nennen.
Schlagersängerin Helene Fischer könnte Komoderatorin von Markus Lanz bei „Wetten, dass..?“ werden, spekuliert eine Boulevardzeitung. ZDF-Programmdirektor Norbert Himmler will unterdessen laut FAZ mehr Punk im Programm. Punk und Schlager – haben ja auch schon immer gut zusammengepasst?
Wer immer da rummoderiert, wertet die ganze Branche der Sterbebegleitung auf.
Die Bild war mit 1.484 Erwähnungen das meistzitierte Medium im ersten Halbjahr 2013 – mit drei Nennungen Vorsprung vor dem Spiegel. Was hatte die Bild, was der Spiegel nicht hatte?
Springer wird die Einrichtung einer Recherche-Kampftruppe hier nicht als schädlich summieren, was ja immerhin andere Verleger ermutigen könnte. Ansonsten wird Bild gern als Methadonprogramm für „Volksmeinung“ zitiert, da zu unterliegen ist ehrenvoll.
Und was machen die Borussen?
Wie haben gelernt, „Jakub Blasczcykowski“ auszusprechen („Kubaaaaaaaaaa“), wir werden lernen „Henrich Mchitarjan“ („Heiiiiinz !“) und Pierre-Emerick Aubameyang („Dingenssssss !“) zu rufen.
FRAGEN: AKL
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag