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■ QuerspalteDie Welt wird bunter

In der Wissenschaft vollziehen sich wirklich große Würfe oftmals im Schatten nur scheinbar wichtiger Ereignisse. Jüngster Fall: Während alle Welt fasziniert und verängstigt zugleich erkennt, daß das Klonen von Menschen bald genauso alltäglich sein könnte wie das Kopieren von Geburtsurkunden – „gut der Mann, machen Sie mir eine Kopie!“ – gelingt dem Neurobiologen Evan Balaban aus San Diego eine Entdeckung, die sich zur einfachen Reproduktion verhält wie die Erfindung des Schachspiels zu Trivial Pursuit: Er transplantierte Gehirngewebe einer Wachtel in das eines Huhns. Folge: Das Huhn gackerte noch, bewegte jedoch immerhin schon den Kopf so anmutig wie eine Wachtel. Und da jene verantwortungsbewußten modernen Forscher immer schneller voranschreiten, werden wir demnächst sicher von Schafen hören, die wie Nachtigallen singen, und von Mäusen erfahren, die ihre Todfeinde mit Rottweilergebell in die Flucht schlagen.

Später dann kommen wir Menschen an die Reihe. Natürlich nur dort, wo es sein muß. Es gibt schließlich ethische Grundsätze! Nehmen wir die Zukunft mal szenisch vorweg: Zum Verteidigungsminister paßt kein scheinheiliges Pax-Christi- Gesicht, Herr Rühe. Lassen Sie uns das mit einem kleinen Eingriff etwas kanthern. Ihr altes können wir doch dem Hintze noch draufpacken. Der gleitet eh schon auf 'ner Schleimspur. Ihr Antlitz endlich zu Leben erwecken? Wird schwierig, Herr Scharping, kriegen wir aber hin.

Wär' das nicht schön? Selbst der Zusammenstellung menschlicher Gesamtkunstwerke stünde nun nichts mehr im Wege. Unseren Kanzler gar könnten wir uns „bauen“. Dem Rohling Kohl würden wir zum Beispiel reichlich reproduzierte Hirnmasse Nelson Mandelas beigeben, nur für alle Fälle, dann ein komplettes Wernicke-Sprachzentrum (Gysi?), Stirnlappenteile (Fischer), und – natürlich – ein Pipettchen Wachtelgewebe aus dem motorischen Rindenfeld des putzigen Vogels. Nur der Anmut wegen, denn schön ist er ja schon, der Kanzler. Philippe André

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