Die Wahrheit: Wohin des Weges, Wachstube?
Die einen sagen so, die anderen so. Und am Schluss landet die Gehirnarchäologin wegen der zwiespältigen Wortbetonung in der Wortspielhölle.
N eulich tauchte in einer allgemein zugänglichen Schreibbude eine Frage auf. Ich hatte in eine überaus intelligente Supergeschichte, in der ich einfach nur erzählen wollte, wie ich mal beinahe verhaftet wurde, das Wort „Wachstube“ elegant einfließen lassen. Da entbrannte gleich ein Zwist zweier widerstreitender Strömungen.
Die Vertreter der einen Seite rätselten darüber, ob man Wachs in Tuben füllen sollte, und wenn ja, warum? Die Verfechter der anderen Seite zerbrachen sich ihre Köpfe darüber, wie man denn das Wort „Wachstube“ anders interpretieren könne, als dass es mit Polizei zu tun hat – und wo niemand sein will.
Jetzt geriet ich auch ins Schlingern beim erneuten Lesen des Wortes „Wachstube“. Warum war mir das Wort so seltsam vertraut? Wie ein Archäologe kramte ich in meinem Gehirn herum, aber das wurde mir bald zu langweilig, weil ich da nur blödes Kindergartensandkastenzeugs fand.
Ich wurde das Wort einfach nicht mehr los. Es belagerte mich wie einst die Sarazenen die Hunnen oder umgekehrt. Ich musste also zu radikaleren Mitteln greifen und bemühte einen sagenumwobenen Gott aus einer anderen Dimension, der mehr oder weniger zuverlässig selbst die dämlichsten Fragen des Universums beantwortet.
Was der ausspuckte, erschütterte mich in den Grundfesten meiner Seele! Dieses wunderschöne, mystische Wort wurde – erklärt! Mit dieser entsetzlichen Entzauberung hatte ich nicht gerechnet, ich wollte meine verletzliche „Wachstube“ heile wieder nach Hause bringen und nahm das arme Wort behutsam auf, legte es in ein Wattekörbchen, träufelte ihm Ambrosius ins Mäulchen und ließ es erst einmal schlafen.
Kleines Paradies von Wortakrobaten
Ich selbst hingegen fand fortan keinen Schlaf mehr. Daher schloss ich mich – wie so oft zuvor in Krisenzeiten – abermals einem usbekischen Wanderzirkus an. Die Artisten waren alle genauso blöd wie ich oder marginal klüger. Dort fühlte ich mich so glücklich wie nie zuvor.
Bis zu dem Tag, an dem unser kleines Paradies von Wortakrobaten gekapert wurde, die mich packten, verschnürten, auf kürzestem Wege wieder in den Kerker der Worthölle warfen und mich mit eisernen Assoziationsketten kopfüber an die steinernen Wände schmiedeten. Ach, wenn es doch wenigstens eine Wortspielhölle gewesen wäre, aber nein. Ich bin bis zum Ende aller Zeiten dazu verurteilt, über das arme Wort „Wachstube“ nachzudenken, das irgendwo sitzt und selbst nicht weiß, ob es Fisch oder Fleisch ist.
Neuerdings sind die grausamen Wärter, die mich nebenbei noch gern mit Schikanen quälen, auf eine neue Bosheit gekommen: Jetzt soll ich auch noch über das Wort „Schreibbude“ nachdenken. Und jeden Nachmittag um drei kommt irgendjemand vorbei, um mir semantische Vorträge oder so was zu halten. Verdammt, Zeus! Ich hatte es doch gar nicht böse gemeint! Wirklich nicht!
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