Die Wahrheit: Kein Jäger aus Kurpfalz
Bär versus Mann versus Maus versus Frau: Wer hat hier eigentlich Angst vor was und wem? Letztgültiges zu aktuellen Fragen.
Man kennt ja diesen Witz: Ein Kind in Begleitung eines Belgiers auf dem Weg in den tiefen, tiefen Wald. Oder war es Asterix? Oder Hänsel und Gretel? Sie gehen an einer Softeismaschine vorbei, und irgendwo spielt ein Radio „Der Jäger aus Kurpfalz“. Irgendwann murmelt das Kind, es hätte Angst. „Was soll ich erst sagen!“, sagt da der Belgier. „Ich muss nachher den ganzen Weg allein zurück!“
So weit, so überhaupt nicht lustig. Eine seltsame Aktualisierung findet dieser olle Schenkelklopfer dieser Tage im Internet. Zufällig auf der Straße aufgegabelte Frauen antworten auf Tiktok und anderen Kanälen auf die Frage, ob sie einsam im tiefen Wald lieber einem Bär oder einem Mann begegnen wollen, erstaunlich oft:
Bär.
Kein Witz. Bär. Und wenn der Mann eine Jagderlaubnis mitbringt, sprich Jäger ist? Wenn er einen Kühlschrank dabeihat? Oder wenn er echte Liebe bietet und den „Emotional Rescue“ (Mick Jagger), den Frauen doch angeblich suchen? Oder wenn er gar kein richtiger Mann ist, sondern sagen wir nur ein halber Mann? Halb Mann, halb Pferd?
Darauf haben die Frauen keine Antwort. Nun, kann daran liegen, dass Ihnen diese Folgefragen auch nicht gestellt wurden. Aber warum jetzt Bär und nicht Mann?
Mann macht Angst
„Man is scary“, lautet die Begründung einer dieser Frauen, Mann macht Angst. Nun stellen sich weitere Fragen: Warum antworten die Frauen so? Wie antworten Männer? Und wie die Bären selber?
„Ich kann mit Tieren besser“, gibt laut taz eine junge Frau als Begründung an. Was echt tief blicken lässt. Aber in diese von den Ärzten (der Band) und Ulrich Seidl (dem Filmregisseur) geöffneten Kisten greifen wir jetzt mal nicht. „Auch junge Männer“, schreibt diese unsere Zeitung weiter, „fühlen sich bei dem Gedanken mit einem Bären wohler: Wenn der Bär ein Homie ist, haben wir eine gute Zeit, wie bei Bärenbrüdern“, erklärt einer. Ein anderer gibt an, dass er sich bei einem Bären immer noch tot stellen könnte: „Ein Mann würde dich nicht in Ruhe lassen.“
Klar, die Frage war ja schließlich auch nicht: Mann oder Geier? Sondern eben: Mann oder Bär?
Von den Bären wollte übrigens keiner so wirklich antworten. Dabei haben wir uns wirklich lange in den Wald gestellt. Gut, war ein deutscher Wald, und wie wir aus der taz wissen: „Ein Bärenspray sollten Wander:innen in bärendichten Regionen stets dabeihaben. Dazu zählt Deutschland aber nicht: Dafür ist die Bundesrepublik zu dicht mit Menschen besiedelt“, also wo Mensch, da eher wenig Bär. Scheint also, Bären haben für sich die Frage auch schon mit „Bär“ beantwortet.
Moment, Bärenspray?! Gibt es das wirklich? Wie wäre es dann mit einem Männerspray? Ach so, gibt es schon, heißt Pfefferspray. Okay. Aber noch mal mit Herbärt Grönemeyer: Wann ist ein Bär ein Bär? Ein Koalabär zum Beispiel ist nämlich eigentlich gar keiner, und ein Teddybär auch nicht. Einen Eisbär wird man ebenso wenig im Wald antreffen wie einen Erdbär.
Für ähnliche Aufregung sorgt ein neues Straßeninterview. Eine Gruppe Männer um die 30 wurde jetzt gefragt, ob sie im tiefen Wald lieber einer Frau oder einer Maus begegnen würden. Die Antworten fielen eindeutig aus, auch wenn sie weder für Frau noch Mann schmeichelhaft sind. Die Mehrheit der Männer antwortet nämlich: Frau; die Begründungen reichen von „Maus läuft zu schnell weg“ über „Maus ist zu klein“ bis zu „Maus ist scary“. Die Männer, die mit „Maus“ antworteten, sagten, dass mann mit Maus besser reden könne und Maus einfühlsamer sei.
Binder – die neue App nur für Frauen
So oder so: Die Diskussionen reißen nicht ab über die Frage, warum Frauen lieber mit Bären im Wald sind als mit fremden Männern. Das Onlinedatingportal Tinder hat bereits reagiert und mit „Binder“ eine neue App nur für Frauen entwickelt, die unter Bären auswählen können – am Ende lockt ein Match im Wald oder in einem örtlichen Zoo. In Südkalifornien versucht ein Restaurant namens „Bearable“ gleichermaßen Frauen und Bären mit einer Karte zu locken, auf der es vielerlei Lachs und Honigsorten und Salate gibt.
Studierte, meist männliche Naseweise und Maskulinisten, bescheinigen unterdessen denjenigen, die die Antwort der Frauen für symptomatisch halten, sie würden der Emanzipation einen „Bärendienst“ erweisen. Wer in Klischees denke, werde Klischees bekommen, so das Statement, und wer von „toxischer Männlichkeit“ spreche, werde das Rätsel der Menschheit niemals lösen. Angst essen Sexualität auf, so die im Wald lauernde These. Gewalt sei natürlich niemals die Lösung, aber schon rein statistisch so selten wie ein Bär, der einer Frau die Türe aufhält.
Andere fanden die Antworten der Frauen hingegen „bärenstark“. Endlich sagt es mal eine, so keine Einzelstimme aus entsprechenden Foren im Internet.
Auch die Mode- und Lifestyleindustrie hat die Zeichen der Zeit rasch erkannt und versucht, auf ein neues Männerbild zu setzen: Tapsig ist demnach jetzt in! Der Mann der Zukunft sei von massiver Gestalt, überall behaart und tendenziell sanftmütig, es sei denn, er hat Hunger oder werde provoziert. Es gibt vom Bären also noch einiges zu lernen.
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