Die Wahrheit: Eminenz des Humors
Achim Frenz ist tot. Der langjährige Direktor des Frankfurter Museums für komische Kunst Caricatura verstarb im Alter von 66 Jahren. Ein Nachruf.
V om Fenster aus sah ich ihn von Weitem langsam die Straße, nein, nicht entlang laufen, er rollte eher heran mit seinem rundlichen Bauch unter dem noch rundlicheren Kopf, umrankt von wilden Brombeerhaaren.
Zuletzt hatte er arge Probleme mit dem altersbedingten Gesamtkomplex Herz-Kreislauf. Aber das Hirn funktionierte glänzend, und seine Gedanken waren wie immer ganz im Gegensatz zu seiner barocken und bärigen, ins Gemütliche vollbrachten Gestalt blitzschnell und glasklar. Acht Stunden redeten wir über Vergangenheit und Zukunft des Humors. Das war sein Lebensthema, selbst wenn er jetzt im Ruhestand war. Endlich nach mehr als vierzig Jahren im Bergwerk der Komik.
Achim Frenz war das, was man eine graue Eminenz nennen würde, wenn es so etwas gäbe im Genre Satire und Humor, und er hätte sich sehr gut in einem Mantel-und-Degen-Film mit vollem Amtsornat als Kardinal gemacht. Einmal war er sogar mit roter Robe und unter einer Krone als König für eine lustige Fotostrecke des Satiremagazins Titanic unterwegs, dessen Mitherausgeber er seit Langem war. Vor allem aber war er der „Direktor“, der Herrscher über den Weckmarkt, an dem das burgähnliche Museum für komische Kunst Caricatura in Frankfurt liegt, dem er vorstand.
Ende der siebziger Jahre kam er aus Bremerhaven nach Kassel zum Studium, das er mit einer Arbeit zum Thema „Die Grenzen der Satire“ abschloss – ein Titel, der alles Künftige zusammenfasste. Noch zuletzt sprachen wir genau darüber, wie weit Satire heutzutage noch zu weit gehen kann. „Satire muss Grenzen überschreiten und wird erst dann zur Kunst oder großen Kunst, wenn sie Grenzen verschiebt“, lautete sein Credo.
Geprägt wurde er vor allem vom Humor der Neuen Frankfurter Schule, den Mitarbeitern von Pardon und späteren Mitbegründern von Titanic, F. K. Waechter und F. W. Bernstein, Chlodwig Poth und Hans Traxler, Robert Gernhardt und Eckhard Henscheid, Bernd Eilert und Pit Knorr, um deren Werke herum er das Museum in Frankfurt aufbaute.
Zunächst etablierte er mit Kombattanten parallel zur Documenta die Caricatura in Kassel, die mit ihren Ausstellungen, Lesungen und Akademieausbildungen enorm viel für die deutsche Humorlandschaft getan hat und immer noch tut. Schließlich wechselte er nach Frankfurt, wo er spätestens seit dem Jahr 2008 mit vielen Ausstellungen, wie zuletzt zum 100. Geburtstag von Loriot, großen Erfolg hatte.
Achim Frenz war der wachste und verständigste Geist der deutschen Humorlandschaft. Jetzt ist er kurz nach seiner Pensionierung im Alter von 66 Jahren verstorben. Und genau solch einen gar nicht überraschenden Tod bespöttelten wir bei unserer letzten Begegnung mit warnenden Worten: So habe der „Peanuts“-Zeichner Charles M. Schulz seinen letzten Streifen am Freitag abgeliefert und sei am Sonntag gestorben. Humorschaffende, geht nicht in Rente!
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