Die Wahrheit: Wenn Fressfeinde fauchen
Ja, Animal Prints sind wieder im Trend! Unbeschwert durch den nahenden Modefrühling – das Gebot der leichten Stunde.
Der Presse-Coup des Jahrzehnts gelang vor zehn Jahren einem bis dato unbekanntem Zoo aus England. Die Zoodirektion verbot damals den Besucherinnen und Besuchern auf ihrem Gelände Kleidung mit Tiermustern, sogenannten Animal Prints, zu tragen. Sie löste damit ein Aufheulen in der Tierweltpresse aus. Der Zoo mit dem viel versprechenden Namen Chessington World of Adventures Resort liegt im Nordwesten Londons kurz vor Hogwarts und ist seitdem weltbekannt.
Das befremdliche Verbot wurde der aufgebrachten Besucherschar ganz behutsam erklärt. Die Aufklärung übernahm die charmante Öffentlichkeitsbeauftragte Natalie Dilloway: „Hier kommen alle Besucher ganz nah in Kontakt mit freilaufenden Nashörnern, Giraffen, Flamingos und Wasserböcken. Wer hier Tiermuster trägt, der erzielt möglicherweise zwei Effekte …“ Entweder, so Dilloway weiter, „die Tiere werden zu freundlich oder das Muster ähnelt dem des Fressfeindes und die Zoobewohner werden aggressiv“.
Zu freundliche Tiere will man natürlich nicht in einem Adventure Ressort, aber zu aggressiv ist halt auch nicht genehm. Frauen, die sich im Leopardenoutfit den Tigern näherten, wurden dort von diesen angefaucht! Tiger und Leopard sind nämlich Nahrungskonkurrenten und sich deshalb spinnefeind. Oder sogar fauchfeind!
Näherten sich die Versuchsfrauen jedoch mit einem Zebramuster den Raubtiergehegen, lief Tigern und Leoparden unisono das Wasser im Munde zusammen, eine verdächtige Überfreundlichkeit, die in Zoos eben auch nicht gerne gesehen wird. Aus gutem Grund wird man im Chessington World of Adventures Resort und sonst wo auf der Welt auch niemals Raubtierpfleger im Zebrashirt zu Gesicht bekommen.
Von Zebra bis Alpaka
Publikumswirksam verboten wurden damals im Chessington Ressort folgende Muster: Zebra, Giraffe, Leopard, Gepard, Tiger, Tigerwolf (Hyäne), Streifenhyäne und Afrikanischer Wildhund, also eigentlich jedes Tiermuster, das gut aussieht. Krokodilschlammfarbene, löwenlehmige und eisbärgilbe Kleidung ist dagegen bis heute dort erlaubt!
Es sind ja übrigens fast ausschließlich Zoobesucherinnen, die gegen das Tiermusterverbot verstoßen. Männer tragen ja weltweit eher unauffällige Kleidung in Schlammfarben, obwohl – raubtiergemusterte Abweichler soll es doch immer wieder rund um den Globus geben. Doch was geschieht im Chessington World of Adventures Resort eigentlich mit den abenteuerlustigen Besucherinnen, die sich nicht an das Musterverbot halten?
Um diese Frauen kümmern sich „eigens dafür angeheuerte Rausschmeißer“ berichtete der damals der Stern. Ja, gibt es denn keine Gorillas im Ressort? Zehn Jahre dauert das Tiermusterexperiment im Nordwesten Londons nun schon; was für ein Fazit können wir als objektive Beobachter daraus ziehen? Den Tieren dort geht es ausgezeichnet, sie werden gut unterhalten, das Pflegepersonal wirkt dagegen generell doch etwas überfordert.
Die angeheuerten Rausschmeißer im Ressort sind immer noch gut beschäftigt, denn Animal Prints sind heutzutage an der Tagesordnung, sehr zur Freude der Zootiere. Können sie doch immer wieder zusehen, wie die Rausschmeißer im Chessington World of Adventures Resort ihres Amtes walten und kreischende Besucherinnen hinausbefördern.
Ende 2022 kam jedoch Hoffnung beim entnervten Londoner Zoopersonal auf. In Style kündigte doch wahrhaftig das Ende der Animal Prints an: „5 Modetrends, die wir nicht mehr tragen wollen!“ Doch zu früh gefreut im Zoo? Berichtete doch gleich danach die Elle, dass Heidi Klum Leopardenmuster trägt. Als „All-over-look“! Und die chinesische Fingernagelstudiomafia legte für den Restwinter 2023 nach: „Yes, animal prints are back in fashion!“ Besonders in: der „leopard print“. Nicht nur in diesen neumodisch militärischen Kreisen!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Kommen jetzt die stahlharten Zeiten?
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“