Die Wahrheit: Zugscham und Dörrpflaumen
Der Klimawandel treibt nicht nur im Weinbau, sondern auch beim trockenen Humor erstaunliche Blüten. Getrocknete, natürlich.
Die klimatischen Bedingungen sind größtenteils vom Wetter abhängig. Die weltweite Klimaveränderung hat auch den Weinbau nicht unbehelligt gelassen. Weinreben treiben heutzutage im Schnitt sieben bis acht Tage früher aus, die Traubenreife wird etwa zwölf Tage eher erreicht als seinerzeit. Die Weinlese beginnt inzwischen fünfzehn Tage früher als noch vor fünfzig Jahren. Wenn das so weiter geht, kommt der Jahrgang von 2031 bereits im Jahre 2028, jedenfalls deutlich vor dem Stuttgarter Hauptbahnhof.
Durch die stärkere Sonneneinwirkung besteht für die Reben erhöhte Sonnenbrandgefahr. Ob die Trauben dann noch schmecken, wenn sie mit Sonnenmilch eingecremt werden müssen, ist die Frage. Andererseits steigt durch vermehrte Sonneneinwirkung der Alkoholwert der Trauben, das heißt, man kriegt vom Geschmack der Sonnenmilch weniger mit. Aber generell ist einem die globale Erwärmung doch wesentlich lieber als eine lokale Erkältung.
Der nördlichste Weinberg Europas findet sich mittlerweile im finnischen Olkiluoto, wo allerdings ein Kernkraftwerk für die erforderliche Wärme sorgt. Na bitte, geht doch! Endlich einmal ein sinnvoller Einsatz der Kernenergie – hoffentlich wachsen dort auch nur kernlose Trauben.
Das mit dem Klimawandel ist vielleicht dann doch übertrieben, nicht jeder kann sich für das Thema erwärmen, da sind auch eine Menge Spinner unterwegs: Schwammspinner, Eichenprozessionsspinner, auch EPS genannt, wobei Kürzel derzeit schwer in Mode sind (SUV, AKK …). Aber das ist eine andere Sache, auch wenn es von kurz zu schlank nicht weit ist. So ist es nicht schwer, in Sachen „ökologischer Fußabdruck“ einen schlanken Fuß zu machen. Jeder Deutsche produziert 8,9 Tonnen CO2 im Jahr. Wenn man die Tonnen abends rechtzeitig raus stellt, sollte das doch kein Problem sein.
80.000 Kilometer – wofür?
Um die 8,9 Tonnen zu kompensieren, bedarf es 1,9 Hektar Wald, was in etwa der Größe von zwei Fußballfeldern entspricht, wahrscheinlich im Saarland. Fußballfelder – was ist daran falsch, wenn die Jugendlichen mal an die frische Luft kommen? So sie denn frisch ist.
Für eine Tonne CO2 fährt man mit dem Zug 80.000 Kilometer, im Flugzeug nur 3.900. Das bedeutet: 80.000 Kilometer, das ist fast zweimal um die Erde, wer hat denn heutzutage soviel Zeit? Und was soll man da überhaupt? Spätestens jetzt dürfte klar sein, was das Wort „Zugscham“ bedeutet. Achtzig Prozent der Inlandsflüge, wird bemängelt, seien Businessflüge – ja und? Soll man vielleicht die Arbeitslosen in die Maschine setzen?
Wie man’s macht, macht man’s … Und was nützen 1,9 Hektar Wald, wenn der stark brandgefährdet ist? Dann muss man sich halt ein bisschen anpassen. Vergiss deinen trockenen Humor, und den Martini Dry kannst du dir gleich abschminken. Trockenobst, alles klar? Dörrpflaumen – schon mal gehört? Waldbrände übrigens sind wie ein Turbo für Schädlinge, waldfremde Menschen verstehen das gar nicht. Die sollen sich halt nach der „Tagesschau“ erst einmal den „Brennpunkt“ angucken.
Die Weinbrandangst geht um
Nicht nur der Wald ist gefährdet, sämtliche Winzer haben einen Riesenbammel vor Weinbrand. Danach schenkt man nur noch Trockenbeerenauslese aus. Oder Stichwort Artensterben: Viele Mitbürger regen sich auf, dass überall gespritzt wird, aber gegen Aperol Spritz unternehmen sie nichts. Wenn Deutschland versteppt, müssen sie eben Steppdecken an die Bevölkerung ausgeben. Die kann man auch unter den Klimaflüchtlingen verteilen. Und jeder Bundesbürger wird serienmäßig mit Feuchtigkeitscremes oder Erfrischungstüchelchen ausgestattet. Dann wird’s schon werden.
Sage einer, man könne nichts tun. Sogar die CSU setzt sich für mehr Grün ein – für Grünphasen bei Ampeln. Und wenn man wirklich den Treibhauseffekt bekämpfen will – warum verbietet man nicht einfach … Treibhäuser? Dieser Beitrag ist übrigens zu 105 Prozent klimaneutral.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut
Ampel-Intrige der FDP
Jetzt reicht es sogar Strack-Zimmermann
Antisemitismus in Berlin
Höchststand gemessen
Rauchverbot in der Europäischen Union
Die EU qualmt weiter
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich