Die Wahrheit: Sieg über die Raubtiere
Neues aus Neuseeland: Die Unterscheidung zwischen der guten einheimischen und der bösen zugewanderten Fauna fällt sogar in Aotearoa schwer.
W as ist der größte Trumpf, den wir gegenüber Australien ausspielen, wenn es mal ausnahmsweise nicht um Rugby geht? Dass wir keine gefährlichen Tiere haben. Dort drüben wimmelt es ja nur so von Schlangen, Giftkröten, Feuerquallen und wilden Dingos. Aber fragt mal unsere Vögel: Die singen ein ganz anderes Lied, wenn es um ihr Leben geht. Sie sind vom Aussterben bedroht, weil Neuseeland zu viele Ratten, Wiesel und Possums hat. Denen hat die Regierung jetzt den Krieg erklärt. Bis 2050 soll Aotearoa „predator free“ sein – frei von Raubtieren. Genauer: frei von Fremden.
Es klingt dramatisch: 25 Millionen Vögel sterben jedes Jahr! 3,3 Milliarden Dollar kostet uns dieser Verlust, warum auch immer – aber die Zahl allein löst Panik aus. Unsere Naturschutz-Ministerin Maggie Barry hat feldmarschallmäßig beschlossen, dass unsere schönen Inseln aus der Luft mit dem umstrittenen Gift 1080 attackiert werden. Wenn sie das Bombardement auf die Nager erfolgreich beendet hat, kann sich die Hobby-Gärtnerin zu Hause ihren Begonien widmen. Die sind streng genommen auch eine eingeschleppte Pest, so wie Schafe und Kühe. Genau da liegt das Problem.
Was „böser Räuber“ ist und was „arme Beute“, bestimmen wir, die größten Umweltschädlinge. Die ersten Ratten kamen nicht mit den Europäern, sondern auf den Kanus der Polynesier vor 800 Jahren im zuletzt besiedelten Land der Erde an. Maori machten Jagd auf die Strauß-ähnlichen Moas, die es seit 600 Jahren nicht mehr gibt. Auch die armen eingeborenen Vögel sind gar nicht so unschuldig, wie Maggie Barry meint. Der heimische Falke jagt den Tui-Vogel, die Eule namens Morepork den kleinen Graumantel-Brillenvogel, der Kea den Sturmtaucher. Selbst unser scheues Wappentier, der Kiwi, muss sich von Fleischlichem ernähren und bedroht dadurch die 178 Sorten einheimischer Würmer. So funktioniert die Natur.
Auch das „Schmutzige Dutzend“ will Ministerin Barry ausmerzen: Zwölf Pflanzensorten, die als übelstes Unkraut verschrien sind, da nicht endemisch. Deshalb rief jüngst bei uns die Umweltschutzbehörde an. Man hätte gern Zugang zu unserem einsamen Stück Land an der wilden Westküste, um dort nach wilden Ingwerstauden und Bananen-Passionsfrüchten zu fahnden. Die sehen hübsch aus, haben aber in der Fauna und Flora nichts zu suchen. Wenn es nach den Puristen ginge, dürften auch keine Eichen und Rosen mehr in Christchurchs botanischem Garten wachsen, sondern nur „natives“ – langweiliges Immergrün.
Touristen müssen in Zukunft bei der Einreise eine Steuer zahlen, die der Schädlingsvernichtung hilft. Maggie Barry und ihre Gift- und Gartenschaufel-Truppen werden bereits als „Trumpian“ beschimpft. So wie Donald Trump sich das gute, alte Amerika zurückwünscht, wo die Weißen noch Autos in der Größe von Flugzeugträgern fuhren und Schwarze brav hinten im Bus saßen, so wünschen sich die Raubtierjäger einen Garten Eden zurück, den es eigentlich nie gegeben hat.
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