Die Wahrheit: Von rechts auf das Pferd
Wer Rücken hat, wird vom Arzt früher oder später in die Röhre geschoben. Aber wie steigt man richtig in so einen Computertomografen ein?
M anche haben Rücken, ich habe Knie. Deswegen musste ich in die Röhre. Alles war gut, bis ich neulich beim Joggen nach 54 Minuten meinte, auch noch ein paar Schritte quer laufen zu müssen. Übermut wird auch bei geringer Geschwindigkeit bestraft. Ich aber wollte nach Gomera. Schon um dort zu meiner Wohnung zu gelangen, musste ich jeden Tag auf den Berg. Und vor den Aufstieg hat der liebe Gott den Abstieg gesetzt. Mein Orthopäde sah mich hereinhumpeln und sagte: „Das sieht schlecht aus.“ „Die Frau verlässt mich, wenn ich nicht mitreise!“ „Okay! Ich tu, was ich kann.“
Er führte schamanistische Rituale aus, hauchte heilige Verse, legte Hände auf, setzte eine Spritze ins Knie, von der ich aber auf geheimnisvolle Weise nicht einmal den Einstich spürte, und ließ mich reisen. Nicht ohne mir einen Termin in der Röhre zu reservieren.
Am Tag X kam ich in die Praxis Y in der Stadt M in OWL. Alle Wartenden hier hatten „Rücken“ oder „Knie“. Ich musste in ein kleines Umkleidezimmer. Sie waren durchnummeriert. Ich bekam das mit meinem exakten Alter! „Ein Zeichen“, dachte ich. „Der Anfang einer Glückssträhne!“ Schließlich war der Arzt Schamane und ich nahm mir vor, noch heute wieder einmal Lotto zu spielen.
Ich füllte Erhebungsbögen aus: „Tragen Sie ein Ventil im Kopf?“ Ich machte das Knie frei. Dann kam ich zur Maschine. Ein Mordsapparat. Eine Art Hochofen. Gigantisch. Ich wusste nicht, wie sie das Ding durch die Tür bekommen hatten. Oder war die Praxis drum herum gebaut worden? Seitlich gab es ein Eingangsloch wie in die Höhle des Minotaurus. Hier fuhr ein Steg heraus. „Bitte setzen Sie sich, legen Sie das Knie hier rein, das andere Bein daneben und dann legen Sie sich bitte.“ „Von da, oder?“ „Nein, von hier bitte!“ Ich war konsterniert. Ich sollte von rechts aufsteigen! Das kann ich nicht.
Nie von rechts
Ich bin noch nie von rechts aufgestiegen. Aufs Fahrrad, nur von links! Das rechte Bein wird über den Sattel geschwungen. Aufs Motorrad genauso. Meine Freundin will immer auf der gleichen Seite im Bett schlafen. Rechts. Also steige ich seit Jahren in unsere Betten in zwei Städten und auch in jedem Urlaub von links ein. Ich kann nicht von rechts aufsteigen.
Die Arzthelferinnen schauten mich an. Ich überlegte, von welcher Seite Clint Eastwood und John Wayne ihre Pferde bestiegen. Die Arzthelferinnen warteten. Ich schwitzte. „Ich kann nicht von rechts“, hätte ich gerne gesagt. Traute mich aber nicht. Ich habe einmal im Leben versucht, auf ein Fahrrad von rechts aufzusteigen. Ich habe jede Menge Schürfwunden von dem Sturz davongetragen. Ich schwitzte, obwohl ich nur stand. Dann setzte ich mich stöhnend quer und schwang meine Beine herum. „Geht doch!“, strahlte eine der zwei.
Dann setzte sie mir Kopfhörer auf. Obwohl ich in Ostwestfalen war, lief NDR 2. Ich wusste nicht, dass es montags um halb drei so viele Staumeldungen aus dem ländlichen Norden zu berichten gab. Unfallfolgen, vermutete ich, von Menschen, die von rechts auf Fahrräder, Motorräder und in Autos gestiegen waren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Kommen jetzt die stahlharten Zeiten?