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Die „Versöhnung“ Chiles

■ Der 25. Jahrestag des Militärputsches löst eine Debatte über die Vergangenheit aus

Berlin (taz) – Der 25. Jahrestag des Militärputsches von General Augusto Pinochet hat in Chile die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit wieder auf die politische Tagesordnung gehoben. „Nationale Versöhnung“ lautet das hohe Ziel, auf das sich VertreterInnen aller politischen Lager, der Kirche und sogar des Militärs berufen, wenn sie ihre Vorschläge zur „Bewältigung“ der Diktaturvergangenheit vortragen.

In einer „Messe zur nationalen Versöhnung“ hatte der Erzbischof von Santiago, Francisco Javier Errázuriz, am Dienstag das Schicksal der mehr als tausend Menschen, die während der Militärherrschaft verhaftet wurden und spurlos verschwanden, in den Mittelpunkt gerückt. Sein Aufruf, endlich zu klären, was mit diesen Menschen geschehen ist, stieß fast überall auf Zustimmung – sogar bei der politischen Rechten und beim Militär. Doch das lag weniger an plötzlicher Einsicht oder Reue, sondern eher an den Formulierungen des kirchlichen Würdenträgers. Nicht juristische Aufklärung hatte er gefordert, sondern nur die Ermittlung der Sterbeorte der Verschwundenen, nicht die strafrechtliche Verfolgung der Täter lag ihm am Herzen, sondern das christliche Begräbnis der Opfer. Die Kirche sei bereit, Informationen über das Schicksal der Verschwundenen entgegenzunehmen – mit dieser Einladung zur diskreten Beichte konnten sich auch die Militärs anfreunden. Die Sühne für die Verbrechen erklärte Errázuriz schließlich zur Privatsache: „Wenigstens in ihrem Herzen mögen sie um Vergebung für ihre Taten bitten.“

Für die VertreterInnen der Linken aber ist eine juristische Aufarbeitung der während der Diktatur begangenen Menschenrechtsverletzungen unabdingbare Voraussetzung für eine „nationale Versöhnung“. Kommunistische und sozialistische Partei sowie eine Gewerkschaftsorganisation haben deshalb in den letzten Wochen und Monaten gleich eine ganze Reihe von Klagen gegen Ex-Diktator Pinochet in die Wege geleitet, unter anderem wegen Völkermordes und Entführung. Die Ermittlungen laufen – eher symbolisch allerdings, da Pinochet als Senator auf Lebenszeit Immunität genießt und gar nicht vor Gericht gestellt werden kann.

Anders könnte es aussehen bei General Sergio Espinosa Davies, dem chilenischen Chef der UNO- Friedensmission in Indien und Pakistan. Ihm wird von der sozialistischen Abgeordneten Isabel Allende, Cousine der Schriftstellerin gleichen Namens und Tochter des früheren Präsidenten, vorgeworfen, im Oktober 1973 als Mitglied eines Kriegsgerichts Haftstrafen für Oppositionelle in die Todesstrafe umgewandelt zu haben. Ob den Vorwürfen juristische Ermittlungen folgen werden, ist bislang freilich noch nicht bekannt.

Bei der Debatte um Chiles Vergangenheit mag auch der 82jährige Ex-Diktator selbst nicht schweigen. Für Pinochet liegt die Schuld für die fehlende Versöhnung bei der chilenischen Linken, die ständig „tiefen Haß“ schüre gegen die Streitkräfte und die Abgeordneten und Senatoren der Rechten. Die Geste der Versöhnung müsse von der Linken kommen. Er selbst habe keinen Grund, sich zu entschuldigen. Joachim F. Tornau

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