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Wenn Politiker nichts mehr zu sagen haben, werden sie plötzlich zu Öko-Weisen. Ginge das nicht früher?Die Vernunft kommt, wenn das Amt geht

Wir retten die WeltVonBernhardPötter

Sie kennen dieses Gefühl sicher auch: Man hört etwas und findet es eigentlich ganz richtig. Aber irgendwo im Kopf flüstert ein kleiner Teufel: „Irgendwas stimmt hier nicht.“

So ging es mir. Ich las in der taz ein Interview mit Hans Eichel, ehemals Finanzminister der rot-grünen Bundesregierung. Der sagte: Niedrigere Dieselsteuern sind falsch. Die Steuerbefreiung von Kerosin muss fallen. Kapitaleinkünfte müssen höher besteuert werden. Und: „Es gibt viele Subventionen, die Umweltschäden begünstigen. Ich sage: Weg damit.“

Ich sage: Bravo! Und: Irgendwas stimmt hier nicht.

Ich gebe dem Teufel im Hinterkopf nach. Und rufe beim „Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft“ an, das lobenswert für ein grüneres Finanzsystem lobbyiert. Hans Eichel leitet da jetzt den Beirat. War Eichel nicht der Finanzminister, der die Steuern auf Kapitalerträge senkte? Doch, war er. Hat er nicht mit Rot-Grün die Ökosteuer eingefroren? Äh, ja, hat er. Hat er die Dieselsteuer angehoben? Nein. Flugbenzin besteuert? Nö, auch nicht.

Hm. Es ist immer schön, wenn Menschen klüger werden. Aber Politiker und Manager lernen vor allem dann dazu, wenn es ungefährlich ist. Eichel ist da kein Einzelfall. Heiner Geißler frühstückte als CDU-Generalsekretär jeden Morgen zwei Ökos; inzwischen peitscht er bei Attac die werktätigen Massen zur Revolution auf. Kurt Biedenkopf war Ministerpräsident in Sachsen und „Vordenker“ der CDU. Heute kommt er mal zum Nachdenken und sagt: „Das Wachstum ist zum Fetisch geworden, mit all den irrationalen Konsequenzen, die wir heute als Ausbeutung der Umwelt, Zerstörung des Klimas und Belastung nachfolgender Generationen erleben.“

Schön, wenn Elder Statesmen im Kopf noch umparken können. Aber noch schöner wäre es, sie täten das, wenn sie in Amt und Würden sind. Dann hätte Hans Eichel Flugbenzin besteuert oder Kurt Biedenkopf Sachsen zur Öko-Diktatur geformt. So bleibt uns nur, auf die grüne Bekehrung des heutigen Personals zu warten: Hannelore Kraft, die als Ehrenvorsitzende des BUND 2027 fordert: „Kohlekraftwerke endlich verbieten!“ Martin Winterkorn, dann Chef von Transparency International 2019: „Keine Gnade für betrügerische Manager!“ Und Altbundespräsident Horst Seehofer 2031: „Deutschland braucht mehr Flüchtlinge. Bayern zuerst!“

Offenbar hilft Altern beim Klügerwerden. Man hört nicht mehr so gut und wird starrköpfig. Auch deshalb sollten wir unser Schicksal wohl den ganz Jungen und den ganz Alten anvertrauen. Denen, die noch alles oder gar nichts mehr zu verlieren haben. Eine große Super­megastudie der Zeit über die „neuen Deutschen“ findet dann auch, dass sich bei Werten und Normen vor allem die Jüngeren bis 35 und die Älteren ab 65 einig sind. Gefährlich sind also die Macher und Schaffer im unbelehrbaren Alter zwischen 36 und 64. Es wäre für alle besser, die würden öfter mal die Klappe halten.

Ich liege da so in der Mitte. Also vergessen Sie einfach diesen Text.

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