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Die Vergangenheit holt nun auch die CSFR ein

Prag (dpa) — Durch eine gezielte Indiskretion ist aus dem Bundesparlament in Prag eine als „streng geheim“ klassifizierte Liste mit Agenten der früheren kommunistischen Geheimpolizei Statni Bezpecnost (StB) in die Hände zweier Zeitungen gelangt. 386 Namen tschechischer und slowakischer Journalisten waren dort verzeichnet.

Innerhalb weniger Stunden waren die Ausgaben der konservativen Tageszeitungen 'Telegraf‘ und 'Metropolitan‘ in Prag ausverkauft. Die Vergangenheit, die nach der Wende unter den Teppich gekehrt wurde, hat nun auch Tschechen und Slowaken eingeholt.

Staatspräsident Vaclav Havel, der mehr als 20 Jahre im Visier des StB stand, kritisierte die Veröffentlichung als „peinlich und absurd“, denn die Liste ließe die „großen Fische“ außer acht. Doch die Zeitung 'Cesky denik‘ hob hervor, daß bei den genannten Journalisten die StB- Zusammenarbeit außer Zweifel stehe. Viele Blätter entließen ihre in dem Verzeichnis genannten Mitarbeiter. Andere Zeitungen beurlaubten sie bis auf weiteres.

Beobachter gehen davon aus, daß die Veröffentlichung dieser Liste erst ein Anfang war. Die tschechische Regierung kündigte die Ausarbeitung eines Gesetzes an, das die Veröffentlichung aller früheren StB- Agenten vorsieht — nach Ansicht vieler Medien ein Bravourstück im politischen Überlebenskampf des gebeutelten Kabinetts von Ministerpräsident Petr Pithart.

Die Liste hat aber auch noch etwas anderes ans Tageslicht gebracht: den gescheiterten Versuch, durch Gesetz und ohne öffentliche Debatte StB-belastete Personen für fünf Jahre aus leitenden Stellungen zu entfernen. Den Redaktionen war nach Verabschiedung dieses Gesetzes anheimgestellt worden, ihre Redakteure und das Management auf eine frühere Zusammenarbeit mit der Staatssicherheit zu „durchleuchten“. Dies war jedoch offensichtlich nicht geschehen.

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