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Die Teilnehmer der UNO-Konferenz zum Schutz der Ozonschicht haben einen baldigen Ausstieg aus der Produktion gefährlicher FCKW-Ersatzstoffe beschlossen. Nur bis 1995 darf FCKW produziert werden. Die Einigung ist ein großer Schritt für Politiker, ein kleiner für die Menschheit. Die Politiker hinken den Realitäten hinterher Aus Kopenhagen Thomas Worm

Weltprojekt Ozonschild: Drei Schritte vor, zwei zurück

Bis gestern lief der Countdown. Aus über 91 Staaten waren die Delegierten zur 4. Vertragsstaatenkonferenz des Montrealer Protokolls angereist, um über den Produktionsverzicht von ozonschädigenden Stoffen zu entscheiden. In den Vorbereitungstreffen zu Kopenhagen hatte sich die hartnäckige Verhandlungstaktik von UNEP-Chef Mostafa Tolba bewährt, der in Open-end-Marathongesprächen unerbittlich konträre Positionen zusammenschmiedete. Es konnte daher auch nicht völlig überraschen, daß gleich zu Konferenzbeginn im Prinzip feststand, daß der Herstellungsstopp von FCKW und der noch aggressiveren Halone auf 1995 bzw. 1994 vorverlegt wurde und nicht, wie auf der Montrealer Folgekonferenz 1990 in London beschlossen, erst im Jahr 2000 erfolgen sollte. Ein erfreulicher Erfolg, an dem insbesondere die Bundesrepublik Anteil hat.

Doch hinter den Türen im zweiten Stock des Bella-Centers konnte das ausgedünnte Ozon nicht alle zum Harmonieren bringen. Dort, in den kleineren Tagungsräumen jenseits der großzügig mit Bäumen bepflanzten Innenhalle – wer dachte da nicht ans Treibhaus? –, ging es zum Teil ruppig zu. Tolbas unermüdliche Verhandlungsstrategie, Partner mit scheinbar unvereinbaren Positionen in Kleingruppen an einen Tisch zu bringen und diesen nicht ohne Ergebnis zu verlassen, war harten Bewährungsproben ausgesetzt. So im Falle der sogenannten teilhalogenierten FCKW, etwas schwächere Ozonkiller, die massenhaft als Kühlmittelersatz für die ausrangierten FCKW eingesetzt werden. Als Querulanten auf Industriegeheiß entpuppten sich hier die französischen Delegierten, sekundiert von den US-Amerikanern. Die französische Atochem, Europas größter Hersteller teilhalogenierter FCKW, hatte Frankreichs Premier Bérégovoy persönlich eingespannt, um gegen den ursprünglichen EG-Vorschlag zu intervenieren und damit die Produktion der Ozonkiller bis weit ins 3. Jahrtausend hinein zu verschleppen. Greenpeace befürchtet, daß dadurch die Entlastung der Ozonschicht durch den FCKW-Ausstieg teilweise zunichte gemacht wird. Weniger dramatisch sieht es Bundesumweltminister Töpfer, der sich gegenüber der taz zuversichtlich zeigte, daß bei der nächsten Verhandlungsrunde 1994 die Ausstiegszeiten gewiß nach unten korrigiert werden.

Ein erst kürzlich entdeckter Ozonkiller, das als Sterilisator in der Agrarchemie eingesetzte Methylbromid, sorgte für Konferenzrempeleien. Methylbromid steht zwar nun auf der „schwarzen Liste“ des Montrealer Protokolls, allerdings konnten sich die Vertragsstaaten – so der Verhandlungsstand am Mittwoch nachmittag – lediglich auf ein Einfrieren des 91er Produktionslevels einigen. Das Beispiel Methylbromid zeigt, wie einzelne Staaten immer wieder probierten, ihr eigenes Süppchen zu kochen. Während Holland auf einen rapiden Methylbromid-Ausstieg drängte, da es Konkurrenten mit Schnittblumen aus der Dritten Welt fürchtet, die ihre Ware wegen der langen Transportwege mit Methylbromid konservieren, stellte sich Israels Delegation auf die Hinterbeine – in Israel werden große Mengen Methylbromid in der Landwirtschaft verwendet. Aber auch hier gilt das gleiche wie für andere Protokollsubstanzen: Was einmal im Protokoll aufgenommen ist, kommt nicht wieder raus, und die Ausstiegszeiten – im Gegensatz zu den FCKW in der Atmosphäre – steigen nicht, sondern sinken, wie die Erfahrung beweist.

Das wohl wichtigste Ergebnis der Kopenhagener Verhandlungen ist die Einrichtung des dauerhaften multilateralen Fonds. 240 Millionen US-Dollar waren für eine Dreijahresperiode als Interimslösung zunächst vorgesehen, um in der Dritten Welt den Umbau einer FCKW-freien Wirtschaft zu ermöglichen. Säumige Zahler, darunter Frankreich (nicht die Bundesrepublik, wie aufgrund irrtümlicher Informationen aus dem Umweltministerium in der taz berichtet), aber auch träge Zahlungsnehmer aus der Dritten Welt, deren Projekte einfach nicht in Gang kommen wollten, sorgten für Zündstoff in der Diskussion. Lange drängten verschiedene Industrieländer darauf, die weitere Umbau-Finanzierung durch den von der Weltbank und somit von den Geberländern gesteuerten GEF-Topf (Global Environmental Fonds) abzuwickeln. Dieser Vorschlag wurde wegverhandelt. Von nun an ist der Fonds eine permanente Einrichtung, dessen Mittel für weitere drei Jahre auf insgesamt über 300 Millionen Dollar aufgestockt wurden und sich je nach geprüftem Bedarf auf die 500-Millionen-Grenze zubewegen können. Den Fonds verwalten Industrieländer und Entwicklungsländer gleichberechtigt über ein paritätisch besetztes Gremium.

Insgesamt hat sich das eigenbestimmte Modell der Unterzeichnerstaaten des Montrealer Protokolls zumindest teilweise bewährt. Auf dem Konsensprinzip basierend, ist die flexible Angleichung an die Gefahren der stets dünner werdenden Ozonschicht vorangeschritten. Womöglich aber immer noch zu langsam. Greenpeace, in Kopenhagen mit seinem vielbeachteten Öko-Kühlschrank auf Butan-Propan-Gas-Basis vertreten, deutet bereits auf die nächsten Probleme. Die empfohlene Alternative zum Kühlschrankmittel FCKW, der ozonfreundliche Ersatzstoff FKW 134a, wirkt als hochpotentes Treibhausgas. Kopenhagen blieb der Devise treu: Lösungen sind dazu da, um verbessert zu werden.

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