american pie : Die Steelers überzeugen wenig
Das diesjährige Finale um die Super Bowl könnte als das schlechteste in die Geschichte des Spektakels eingehen
Als das Konfetti zusammengekehrt und alle wieder zu Sinnen gekommen waren, als sich der Rauch gelegt und der Publikumsliebling seinen Abschied verkündet hatte, kam ganz schnell der Katzenjammer: Die 40. Super Bowl hatte ihren römischen Ziffern XL keine Ehre gemacht. Das Endspiel in Detroit zwischen den Pittsburgh Steelers und den Seattle Seahawks könnte stattdessen als das schlechteste in die Geschichte des alljährlichen Spektakels eingehen.
Zweifelhafte Schiedsrichter-Entscheidungen und bisweilen amateurhafte Fehler von zittrigen Angriffsreihen und nervösen Trainern hatten dafür gesorgt, dass nur wenig Spielfluss zustande gekommen war. Die Höhepunkte waren rar gesät, stattdessen wurden fangbare Pässe fallen gelassen, Angriffsaktionen meist im Keim erstickt, und selbst die Millionen Dollar teuren Werbespots, die von internationalen Konzernen für die Ausstrahlung während der Super Bowl in Auftrag gegeben wurden, langweilten manchen Kommentator. NFL-Chef Paul Tagliabue konnte sich zwar freuen, dass der große Auftritt seiner Liga mal wieder von schätzungsweise 100 Millionen Menschen in 225 Ländern gesehen wurde, aber eine Werbung für den Sport war der 21:10-Sieg von Pittsburgh nicht wirklich. Außer den Steelers und ihren Fans dürften nur die Rolling Stones wirklich zufrieden aus Detroit abgereist sein: Die nach dem „Nipplegate“ um Janet Jackson und Justin Timberlake vor zwei Jahren überängstliche NFL nutzte die um fünf Sekunden verzögerte Übertragung der Halbzeitpausenshow, um zwei Songs zu zensieren und den britischen Rock-’n’-Roll-Opas so zu bescheinigen, dass sie zumindest noch in der Lage sind, spießige Amerikaner zu verunsichern.
Dabei wurde doch die die Medien beherrschende Geschichte der Super Bowl zu einem glücklichen Ende gebracht: Der Running Back der Steelers, Jerome Bettis, aufgrund seiner stämmigen Statur „The Bus“ genannt, gewann nach 13 Jahren in der Liga endlich die Super Bowl – und das auch noch ausgerechnet in seiner Heimatstadt und mit ansprechender Leistung. Die 43 Yards, die er erlief, sind für den 33-Jährigen, der mittlerweile als Ergänzungsspieler von der Bank kommt, eine eher überdurchschnittliche Leistung. Prompt verkündete er nach dem Sieg wie erwartet seinen Rücktritt.
Am Rest des Spiels hatten eher Freunde von seltsamen Statistiken ihre Freude: Dem Steeler Willie Parker gelang mit 75 Yards der längste Touchdown-Lauf der Super-Bowl-Geschichte, dem Seahawk Kelly Herndon mit 74 Yards der längste Interception-Return. Ben Roethlisberger wurde mit 23 Jahren zum jüngsten Quarterback, der jemals eine Super Bowl gewann, aber auch zum siegreichen Super-Bowl-Quarterback mit dem schlechtesten Rating aller Zeiten: Gerade mal neun von 21 Pässen brachte „Big Ben“ an den eigenen Mann, zweimal warf er das Ei einem Seahawk in die Arme. An ihm lag es am allerwenigsten, dass die Steelers zum fünften Mal den Titel holen konnten.
Ob darauf im kommenden Jahr Titel Nummer sechs folgen wird, ist allerdings ebenso zu bezweifeln wie die Rückkehr von Seattle in die Super Bowl. Keine der beiden Mannschaften hinterließ einen allzu überzeugenden Eindruck, die Ausgeglichenheit der NFL ist berüchtigt, Pittsburgh und Seattle müssen damit rechnen, dass einige ihrer Schlüsselspieler den Klub verlassen. Vor allem Shaun Alexander, Running Back der Seahawks und zum wertvollsten Spieler der NFL gewählt, steht es frei, sich demnächst einen neuen Verein zu suchen. Bei der Pressekonferenz nach der Niederlage wählte der begeisterte Schachspieler seine Worte denn auch mit Bedacht: „Ich denke definitiv, wenn ich dann noch in Seattle bin, werden wir wieder die Super Bowl erreichen.“ Erst einmal aber wird er Angebote sondieren.
THOMAS WINKLER