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Die Spitze eines Eisbergs

■ Offizielle Zahlen über die sexuellen Belästigungen an den Unis vorgelegt / Nur drei Disziplinarverfahren eingeleitet / AL und AStA werfen Turner mangelndes Problembewußtsein vor

Die Spitze eines Eisbergs

Offizielle Zahlen über die sexuellen Belästigungen an den

Unis vorgelegt / Nur drei Disziplinarverfahren eingeleitet / AL und AStA werfen Turner mangelndes Problembewußtsein vor

Kamen sexuelle Belästigung und Gewalt gegen Frauen an den Hochschulen bislang bestenfalls als theoretische Erscheinungen im patriarchalisch organisierten Wissenschaftsbetrieb oder als selten beweisbare Einzelfälle vor, so wurde das Problem jetzt für Berlin erstmals zahlenmäßig erfaßt. Veranlaßt durch eine parlamentarische Anfrage des AL-Abgeordneten Grugelke wußte Wissenschaftssenator Turner von fünf Fällen sexueller Belästigung an der FU in den letzten fünf Jahren zu berichten.

Darüber hinaus seien der ZE zur Förderung von Frauenstudien und Frauenforschung weitere Beschuldigungen von vier Frauen und einer Studentinnengruppe bekannt geworden. Bis auf TU und FHSS, wo es nach Mitteilung der Hochschulleitungen je einen Fall gegeben habe, hätten alle übrigen Hochschulen Fehlanzeige erstattet, referierte Senator Turner.

Nur drei der fünf offiziell angezeigten Fälle an der FU führten jedoch auch zur Einleitung eines Disziplinarverfahrens. An den übrigen Hochschulen sah man dafür offenbar keine Veranlassung. In einer von ihnen gemeinsam herausgegebenen Presseerklärung warfen das Frauenreferat des AStA-FU, der AL-Hochschulbereich sowie die Feministische Frauenliste an der FU Turner und den Hochschulen unterdessen vor, sexuelle Belästigung und Gewalt gegen Frauen noch immer „nicht als Problem begriffen“ zu haben.

Als Belege führten sie die geringe Zahl der Disziplinarverfahren und die Tatsache an, daß sich der Senator zum Problem der - von den ZE-Frauen als „sehr hoch“ angegebenen - Dunkelziffer um eine eigene Stellungnahme gedrückt habe.

Ihre Forderung nach institutionell abgesicherten Frauenbeauftragten an den Unis wurde von TU und FU bereits eingelöst. Beauftragt mit der Formulierung eines Kompetenzrahmens für die gesetzlich verankerten Frauenbeauftragten im Rahmen der derzeit überall in den Gremien der Hochschulen beratenen Grundordnungen (siehe auch Meldung auf dieser Seite), verfielen TU wie FU inzwischen auf den gleichlautenden lapidaren Satz: Die Frauenbeauftragte „ist zuständig für Beschwerden, auch in Fällen sexueller Belästigung“.bes

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