piwik no script img

Archiv-Artikel

Die Sie-Maschine

Weil die Zustände politisch, radiotauglich und tanzbar sind: Bernadette La Hengst hat den Beat feminisiert und wirft ihre mit Klimperbeats, Serge-Gainsbourg-Samples und Geschnatter aufgehübschte Version von Agitpop in die Menge

Ihre Biografie kennt keine Grenzen. Sie ist die Grande Dame der Hamburger Schule, Mutter, Feministin und Role Model. Sie war mit Bernd Begemann verheiratet, gilt als politisch engagierte Künstlerin, arbeitet als Schauspielerin und Musikerin. Immerhin schreibt Bernadette La Hengst keine Kochbücher und nimmt auch nicht an Konzerten teil, die von der Bundesregierung gesponsert sind. Das bleibt jedenfalls zu hoffen.

Die Braut haut ins Auge hieß ihre erste Band, deren Stücke zunächst auf Kassetten erschienen. Mit Frank Spilker, Bernd Begemann, Jochen Distelmeyer zog sie von Bad Salzuflen Richtung Hamburg und begründete eben jene Schule mit. Feilte an der Art von Gitarrenschlagern, die auch Begemann groß rausbrachten, verkaufte sich an die Industrie, produzierte Bands wie Parole Trixie und machte sich stets für die richtige Sache stark.

Nach der Bandauflösung von Die Braut haut ins Auge erschien 2002 mit „Der beste Augenblick in deinem Leben …“ ihr erstes Solowerk: reifer, poppiger, mit dem Titelstück als Hit und einer Fuhre guter Hoffnung. Danach tauschte Bernadette La Hengst den Instrumentenpark aus, zog nach Berlin, wurde schwanger, trat mit dem Schwabinggrad-Ballett auf und hat beim Trikont-Label eine neue Heimat gefunden, das jetzt ihr zweites, nicht minder schillerndes Album „La Beat“ veröffentlicht hat.

Dabei versucht Bernadette La Hengst den im Deutschen bislang männlichen Beat zu feminisieren und ihre Musik so global und offen, dabei natürlich so globalisierungsgegnerisch wie möglich sein zu lassen. Pianosätze, Klimperbeats, unaufdringliches Geschnatter, nur selten noch eine Gitarre. Als Hör- und Verständnishilfe reicht sie im Booklet ihre persönliche politische Weltkarte nach, fährt einiges an Gästen auf, sampelt für „Warum nicht 2“ Serge Gainsbourg und weiß auch sonst, mit den richtigen Verweisen umzugehen.

Dass man sich bei aller politischen Korrektheit, bei allem Popappeal und aller Radiotauglichkeit der fast durchweg tanzbaren Stücke fragt, wen der deutschsprachige Agitpop à la Hengst in die richtige Überzeugung schicken soll, ist vielleicht der blinde Fleck auf dieser Landkarte. Ist ihr Ansatz noch subversiv oder schon das bekannte „preaching to the converted“?

„Das Glück kommt immer genau dann, wenn man noch gar nicht bereit ist“, heißt es im Song „Wer hat das Glück versteckt?“. Und auch sonst gibt es kaum ein Stück, dem nicht eine Programmatik innewohnt: Vom Titeltrack über „Copy Me (I want to travel)“, das nach einem bulgarischen Computervirus benannt ist, über das selbstreflexive „Rockerbraut & Mutter“ bis zur Parteitagderparteilosenlinkenhymne „Her mit der Utopie“ oder dem verschlafenen „Nie mehr vor Mittag“. Keine Diskursfront, die ausgelassen wird. Natürlich ist La Hengst darum bemüht, ihre eigenen Positionen gerecht ins Spiel zu bringen, das Private das Politische sein zu lassen.

Das ist aufgeklärte Unterhaltung auf weitestgehend okayem Niveau. Aber außer den angedeuteten Zweifeln an der eigenen Mutterschaft und dem erklärten Willen, auf die Verbündeten im Geiste zu setzen, bietet das Album letztlich nicht viel Neues. Die Beats sind zu sauber, die Produktion wirkt zu austariert. Die Texte bleiben manchmal zu einfach: eine Spur zu korrekt und in der Korrektheit zu vorhersehbar und risikolos.

Trotzdem versteht es sich, dass die Hengst alle Sympathien auf ihrer Seite hat – ein voller Tanzsaal politisch aufgeklärter Körper ist ihr mit ganzem Herzen zu wünschen. Aber lass uns nicht (mehr) über Globalisierung (und so) reden.

RENÉ HAMANN

Bernadette La Hengst: „La Beat“ (Trikont/Indigo); Konzert, heute, 21 Uhr, im Festsaal Kreuzberg