HAMBURG OHNE HAUPTSCHULE HAT MIT BILDUNGSREFORM NICHTS ZU TUN : Die Selektion geht weiter
Kurios: Ausgerechnet die CDU setzt sich in Hamburg dafür ein, die Hauptschule abzuschaffen. 60 Jahre lang hat die Partei diese Schulform konsequent verteidigt, gegen den Ruf als Restschule, und nun – weg damit. Nach den Plänen der Hamburger Christdemokraten soll es nur noch zwei Schultypen geben – das Gymnasium und die so genannte Stadtteilschule, eine integrierte Real- und Hauptschule. Späte Einsicht, dass gemeinsames Lernen nicht von Nachteil ist? Nein. Eher der Versuch, die lieb gewordene Sortierung der Schüler in Gymnasiasten und Restliche zu retten.
Vorbild für die Hamburger ist Sachsen. Der Freistaat war beim Pisa-Ländervergleich im November der Überflieger. Dort gibt es seit 15 Jahren nur zwei Schulformen: das Gymnasium und die Mittelschule. Doch schaut man genauer hin, dann hat sich in dieser Übersichtlichkeit die frühe Auslese manifestiert. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt pauken die Viertklässler für ihre Halbjahreszeugnisse: Wer aufs Gymnasium will, braucht ein gute Durchschnittsnote in den Kernfächern oder muss zur Aufnahmeprüfung. Auf den Mittelschulen wird ab der sechsten Klasse weiter gesiebt – die schlechteren Schüler werden in einen separaten Schulgang mit eigenem Lehrplan einsortiert, was der Hauptschule entspricht. So wird das Schulsystem auch in Sachsen wieder dreigliedrig.
Statt nach Süden sollten die Hamburger lieber nach Norden gucken. Bei den internationalen Pisa-Champions in Skandinavien lernen die Schüler mindestens neun Jahre zusammen. Oder auch nach Mecklenburg-Vorpommern, wo ab August keine fünfte Klasse mehr als Gymnasial- oder Hauptschulklasse eingerichtet wird. Es gibt nur noch Gemeinschafts- und Gesamtschulen, das Gymnasium als Schulform wird abgeschafft.
Aber genau das will die CDU ja verhindern. Mit der Opferung der Hauptschule sollen auch die SPD-Nörgler ihre Diskussion über ein integriertes Gesamtschulsystem endlich einstellen. Das CDU-Konzept hilft weniger den Hauptschülern, sondern schützt die Privilegierten und ihre Schulform – das Gymnasium. Anna Lehmann