: Die Scham ist vorbei
■ Mit ihrem Sieg im dritten Spiel der Baseball-World-Series holen sich die New York Yankees ihre Selbstachtung zurück
Berlin (taz) – Noch nie hat eine Baseball-Mannschaft einen 0:3-Rückstand in den Play-offs aufgeholt, und niemand wußte das vor Spiel 3 der World Series besser als die New York Yankees. Mit 1:12 und 0:4 hatten sie die beiden ersten Partien im eigenen Stadion verloren, eine weitere Schlappe in der Arena der Atlanta Braves, und die Titelverteidiger aus Georgia hätten wohl keine Mühe gehabt, die Sache in einem der nächsten beiden Heimspiele klarzumachen.
„Wir haben uns ein bißchen geschämt“, beschreibt Yankees-Pitcher David Cone den moralischen Zustand seines Teams vor dem Auftritt im Fulton County Stadium. Damit war es vorbei, nachdem New York das Match mit 5:2 für sich entschieden hatte und damit den sechsten Play-off-Auswärtssieg in Folge landete. „Manchmal“, so Yankees-Manager Joe Torre, „ist es ein Nachteil, in der Nachsaison zu Hause zu spielen. Man lädt sich so auf, daß man vergißt, was man eigentlich zu tun hat.“
Bei David Cone, dem bestbezahlten Pitcher der Major League, führte die Schambewältigung zu einer vorzüglichen Leistung. In sechs Innings ließ er lediglich vier Hits und einen Punkt der Braves durch einen Walk zu. Die kniffligste Situation für Cone, der vor einem halben Jahr noch an der Schulter operiert worden war, kam im sechsten Inning, als sein Arm langsam müde wurde, die Bases voller Braves standen und ihn Joe Torre fragte, wie er sich fühle. „Ich habe mein Bestes getan, zu lügen“, erzählte der Pitcher später, „und ihm erzählt, daß ich ihn durch dieses Inning bringen könnte. Offenbar hat er mir geglaubt.“ Cone schaffte es tatsächlich, danach durfte er sich beim Stand von 2:1 zur Ruhe setzen und zusehen, wie ihm seine Nachfolger Mariano Rivera, Graeme Lloyd und John Wetteland kaum nachstanden. Nur sechs Hits ließen die Yankees diesmal insgesamt gegen die Braves zu, die ihre Kontrahenten in den letzten fünf Spielen mit 48:2 heimgeschickt hatten. Der Homerun von Bernie Williams zum 4:1 im achten Inning entschied die Partie endgültig zugunsten der Yankees. „Wir hatten erkannt, wie gut Atlanta ist und nichts mehr zu verlieren“, sagte David Cone nach dem Match glücklich, „und plötzlich hast du einen Sieg und willst noch mehr.“
Bei den Braves hatte Pitcher Tom Glavine keineswegs enttäuscht. Auch er ließ in sieben Innings nur zwei Runs und vier Hits zu. Sein Pech, daß sein Ersatz Greg McMichael weniger Glück hatte als die Yankees-Reservisten und zudem auf einen bestens aufgelegten Bernie Williams traf, der schon im ersten Inning gemeinsam mit Darryl Strawberry die Führung für New York herausgeschlagen hatte. „Ich habe meinen Job getan“, sagte Glavine etwas enttäuscht. „Mein Job ist, die Jungs im Spiel zu halten. Das habe ich geschafft. Es hat einfach nicht gereicht.“
In den nächsten zwei Spielen haben die Braves die Chance, die Meisterschaft doch noch zu Hause für sich zu entscheiden. Danach muß sich zeigen, ob die Yankees inzwischen gelernt haben, mit dem Heimvorteil umzugehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen