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■ QuerspalteDie Ruhe vor dem Wurm

Immer mehr Mitbürger finden, in Bonn sei mehr denn je – keine Angst vor Kinderbuchsprech! – der Wurm drin. Dies wurde nun von höchster Stelle bestätigt: Der Wurm jedoch ist weder der Watt- noch der Regen-, nicht mal der Lind-. Es ist der „Zweifelwurm“. „Jetzt“, so Kanzler Kohl am Montag düster, „geht der Zweifelwurm durch Bonn.“ Ein neuer Kosename für Heiner Geißler? Kaum.

Kohl hat den Wurm auch gar nicht durch seine Partei schlängeln sehen, sondern, natürlich, durch die vielleicht deshalb (Holzzweifelwürmer?) so genannte „Baracke“. Da denkt mal jemand mit, denn für eine „Rote Würmer“-Kampagne käme der arme Pa/eter Hintze erstmalig ohne Requisiten aus: Den Wurm könnte er ganz gut selbst darstellen.

Der Zweifelwurm geht durch Bonn. Der Lange Eugen kriegt Beine? Oder andererseits – gehen Würmer, haben sie Beine? Oder will Hintze, hoho, den Roten Beine machen, dann hätte auch der Wurm welche usw. Schwierige Metapher. Und nicht zu verstehen, doch Kohl beharrt: „Ich bin mir meiner Sache ganz sicher.“ Bißchen dumm, daß in diesen Tagen viele Deutschländer Würstchen beim Wort „Zweifelwurm“ viel eher an Berti Vogts denken als an Gerhard Schröder.

Von Wattwürmern sieht man selten mehr als ihre beachtlich kunstvoll gekringelten Ausscheidungen. Der Zweifelwurm ist selbst auch unsichtbar. Regierungsmitglied sein, könnte man meinen, sei so wie knietief durch Scheiße waten. Der Umkehrschluß also – da war ein Wurm! Dessen Bruder ist das Schreckengespenst, das man ruft, wenn es einen wurmt. Oder so. Wenn einer tot ist, kommen die Würmer, heißt es. Wenn jemand gerne auch mal in einer Umfrage vorne liegen will, geht er zum ZDF zur Sendung „Zur Sache Schätzchen“ unter der Leitung von Keinzweifelgewürm Klaus Bresser. Und danach macht er Zweifelwürmer aus, beim Gegner, wo sonst. Im Zweifel für den Angewurmten, also Kohl. „Scheiße waten?“ denkt Schröder solange – „Scheiße, warten!“ Die Ruhe vor dem Wurm. Benjamin v. Stuckrad-Barre

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