: Die Rückkehr einer Überirdischen
■ Steffi Graf verlor bei den Australian Open das Viertelfinale gegen Jana Novotna (5:7, 6:4, 8:6) und zugleich ihren letzten Grand-Slam-Titel/ Anke Huber unterlag Monica Seles, Sanchez schlug Sabatini
Berlin (taz) — Steffi Graf wandelt sich mehr und mehr zu einem Wesen von dieser Welt. Sie, die Unerreichte, Einzigartige, die Unbesiegbare, verliert.
Immer öfter. Nun hat sie gar bei den Australian Open in Melbourne ihren letzten noch in der göttlichen Vorhand verbliebenen Grand-Slam- Titel verloren. Zweieinhalb Stunden mühte sie sich im Viertelfinale gegen Jana Novotna (CSFR) und verlor 5:7, 6:4 und 8:6.
Trotz gewohnt unbeugsamem Kampfgeist unterliefen ihr gestern üble Fehler: Lobs kamen außerhalb an, kopflose Netzangriffe wurden von der Tschechoslowakin mit sofortigem Passieren geahndet. Auch der Grafsche Aufschlag hielt sich nicht an die Regeln: „Ich krieg in nicht ins Feld, das ist unglaublich“, wütete die Weltranglistenerste. Zwar konnte sie den ersten Satz nach einem 1:4-Rückstand noch herumreißen, lag aber, bevor sie sich versah, gleich wieder mit 0:4 zurück. „Das geht einfach nicht, daß man so schlecht anfängt“, schimpfte sie sich aus. In der Wut wechselte sie zu allem Unglück auch noch zu einer falschen, weil ungestümen Angriffstaktik, um sich sogleich lautstark zu befragen: „Was soll denn das?“
Vater Peter, der sich auf der Tribüne völlig verzweifelt den spärlichen Haarschopf raufte, versuchte zu antworten, indem er unentwegt Anweisungen herausschrie. So verlor sein Töchterchen auch noch den letzten Satz und Grand-Slam-Ruhm. Sehr zur Freude der überglücklichen Jana Novotna: „Ich fühle mich großartig“, vermeldete diese nach ihrem Sieg, der ihr natürlich „sehr viel bedeutet“.
Tatsächlich jedoch ist ein Sieg über Steffi Graf schon seit längerem nicht mehr das, was es einmal war: fast ein Wunder. Schon macht sich in den Umkleidekabinen unter vorgehaltener Hand eine ungeheuerliche Neuigkeit breit: „Steffi ist auch nur ein Mensch, wir können sie besiegen.“ Die Dominanz der 21jährigen scheint gebrochen, seit die jungen Spielerinnen — das Vorbild Graf vor Augen — immer härter und professioneller trainieren. Mit der eigenen Stärke verlieren sie zugleich den lähmenden Respekt vor Miß Vorhand, die bereits dreimal die Australian Open gewonnen hat und seit 1987 die Nummer eins der Welt ist. Novotna: „Die Spielerinnen haben keine Angst mehr vor ihr. Sie freuen sich darauf, gegen sie anzutreten, und sie gehen auf den Platz, um sie zu schlagen, nicht nur, um gutes Tennis zu spielen.“
Dieses neue Selbstbewußtsein bekommt Steffi Graf in Form von heftiger Gegenwehr zu spüren. Monica Seles, die der Graf in der Weltrangliste immer dichter rückt, analysiert: „Steffi war immer die beste, wenn es knapp wurde. Das ist jetzt nicht mehr so.“ Dennoch überwiegt noch der Respekt: „Sie hat das Damen-Tennis auf ein höheres Niveau gehoben, genau wie zuvor Martina Navratilova. Und die nächste Nummer eins wird dies auch tun. Alle schlagen heute härter.“ Und mit der Weisheit des Teenagers fügt Monica Seles hinzu: „Die Sieben- und Achtjährigen sehen uns im Fernsehen und werden eines Tages noch härter schlagen.“
Die 17jährige Seles hingegen konnte sich in Melbourne die jüngere Konkurrenz vom Halse halten: Sie besiegte die 16jährige Anke Huber klar mit 6:3 und 6:1 und gilt vor dem Halbfinale gegen Mary Joe Fernandez nun als Favoritin. Denn auch Gabriela Sabatini flog aus dem Viertelfinale: Mit furchterregender Flunsch unterlag sie mit 1:6 und 3:6 der stets gutgelaunte Spanierin Aranxa Sachez, die nun auf Graf-Bezwingerin Novotna trifft. miß
Herren-Doppel, Viertelfinale: Patrick McEnroe/David Wheaton — Udo Riglewski/Michael Stich 7:6, 6:3, 3:6, 6:3.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen