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Die Reps auf dem absteigenden Ast

■ Bezirke vor der Wahl: Den rechtsextremen "Republikanern" laufen nicht nur die Wähler, sondern auch die Mitglieder weg. Die Prognosen versprechen zwei Prozent. In der Partei herrscht Chaos statt Ordnung

Bei seiner Wiederwahl zum Rep-Landesvorsitzenden im Dezember vergangenen Jahres war Werner Müller noch voller Zuversicht. „Fünf bis sieben Prozent“ werde die Partei bei den Berliner Wahlen zum Abgeordnetenhaus einfahren. Glaubt man den Umfragen, dürfte Müller froh sein, wenn sein Landesverband am 22. Oktober zwei Prozent erhält. Mehr gebe die „derzeitige Stimmungslage“ nicht her, erklärt Manfred Güllner vom Meinungsforschungsinstitut Forsa. Obwohl Überraschungen nicht auszuschließen seien, denn nur ein geringer Teil der Befragten bekenne sich offen zu den Reps. Von solchen Prognosen hält Volkswirt Müller, der einst als SPD-Mann unter Helmut Schmidt im Bundespresseamt arbeitete und für den Güllner ein „etwas linksgestrickter Mann“ ist, wenig. „Monatelang werden wir von den Medien totgeschwiegen, aber vor den Wahlen, im Kontakt mit dem Bürger, ziehen wir immer an.“ Neben einer Landesliste für das Abgeordnetenhaus haben die Reps auch in allen 23 Bezirken Kandidaten für die BVV-Wahlen aufgestellt. Die Klientel, so hofft Müller, seien die „einfachen Menschen“ in den Problembezirken der Stadt, jene Wähler in Wedding oder Neukölln, die „früher zum klassischen sozialdemokratischen Mileu“ gehörten.

Doch der Höhenflug von 1992, bei dem die Partei in 20 Bezirksparlamente einzog, gehört offenbar der Vergangenheit an. „Bislang sehen wir die Partei nirgendwo bei fünf Prozent“, so Forsa-Chef Güllner. Wenig Glück hatten die Reps mit ihren Stadträten, die ihnen nach der letzten Wahl zustanden. Von einst vier Vertretern hielt sich lediglich Ingeborg Seifert in Reinickendorf auf ihrem Stuhl. Ihre Rep-Kollegen in Tiergarten, Wedding und Neukölln wurden durch Allparteienkoalitionen der Reihe nach abgewählt.

Die Partei, die einst in Berlin Ordnung schaffen wollte, verfiel von Beginn an ins genaue Gegenteil: Das Chaos regierte. Parteimitglieder, die gegenüber der Presse kritische Töne wagten, wurden abgestraft. Zeitweise war der Landesvorstand nur mit der Abwehr und dem Anzetteln von Intrigen beschäftigt. Personalpolitik verlief, wie ein Aussteiger gegenüber der taz erklärt, nach dem Motto: „Wo ein lukrativer Posten frei war, meldete sich sofort der Landesvorstand. Das war Versorgungspolitik für gescheiterte Existenzen.“ So wurde etwa in Wedding über die Köpfe der Fraktion hinweg der (schließlich 1993 von der BVV abgewählte) Umweltstadtrat Hermann Voss vom Landesvorstand durchgedrückt. Resigniert trat daraufhin die Fraktionsvorsitzende Ursula Oguntke aus der Partei aus. In Mitte zerstritt sich die dreiköpfige Fraktion derart, daß sie sich auflösen mußte. Nach dem Tod eines Rep-Verordneten in der Spandauer BVV weigerte sich die Fraktion, den Nachrücker aufzunehmen – der Platz blieb bis heute leer. Auch rabiate Ausfälle handelten der Partei mehr Ärger als propagandistischen Erfolg ein. Als der Friedrichshainer Fraktionsvorsitzende Detlef Mahn in einem Flugblatt Schwule und Lesben diffamierte, wurde er wegen Volksverhetzung verurteilt.

Seitdem 1992 der Verfassungsschutz die Reps mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachten darf, bröckelt auch die Gefolgschaft. Vor allem Mitarbeiter im öffentlichen Dienst hätten sich „aus Angst vor beruflichen Konsequenzen zurückgezogen“, sagt Peter Rieger, Fraktionsführer der Reps in der Spandauer BVV. Die Zahl der Mitglieder sackte laut Verfassungsschutz von 1.700 im Jahr 1993 auf heute rund 1.000 ab. Interne Streitigkeiten auf Bundesebene, die schließlich mit dem Rückzug von Franz Schönhuber endeten, färbten auf den Berliner Landesverband ab.

„Das hat uns zweifellos geschadet“, glaubt Rieger. Schönhuber sei das „Zugpferd“ gewesen, der von seinem Nachfolger Rolf Schlierer versprochene neue Kurs der Partei sei nicht erkennbar. Severin Weiland

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