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Archiv-Artikel

portrait Die „Rampensau“ tritt ab

Am Silvesterabend 1979 hatte Rudi Carrell, 71, zum letzten Mal seine legendäre Fernsehshow „Am laufenden Band“ moderiert, 26 Jahre später tritt er nun endgültig von der Bühne ab: Heute Abend wird der an Lungenkrebs erkrankte Showmaster, Schauspieler, Film- und Fernsehproduzent Rudi Carrell seine Abschiedsvorstellung geben, ein letzter Gag am Ende der von ihm produzierten und bis 2002 moderierten RTL-Comedy „7 Tage, 7 Köpfe“ (22.15 Uhr). Er wird nur für wenige Sekunden zu sehen sein, zusammen mit seinem Kollegen und bekennendem Fan Harald Schmidt.

Das „Schwergewicht der leichten Unterhaltung“ (Süddeutsche) hatte in seinem bisherigen Berufsleben keine leichte Aufgabe zu bewältigen. Er musste das deutsche Volk unterhalten – und es ist ihm gelungen, wenn auch nur mit Hilfe von zwei Schachteln Zigaretten pro Tag. Der gebürtige Niederländer Rudi Carrell, eigentlich Rudolf Wijbrand Kesselaar, hatte seit Mitte der Sechzigerjahre einen Schuss unverkrampfte Leichtigkeit in die deutsche Fernsehunterhaltung gebracht – sein drolliger niederländischer Akzent wurde zu seinem Markenzeichen, sein genuscheltes „dolle Sache“ zu einer Chiffre positiven Denkens und guter Laune: „Die Rudi-Carrell-Show“ (1965–1974) und „Am laufenden Band“ (1974–1979) ebneten ihm den Weg in die Herzen der Zuschauer. Und Rudi Carrell hat sein Publikum immer zurückgeliebt. Leben und leben lassen, ob in der großen Samstagabendshow oder in kleineren Formaten wie der mittlerweile legendären „Tageshow“ (1981–1985), einer Persiflage auf die „Tagesschau“. In einem Beitrag hatte er damals das deutsch-iranische Verhältnis belastet, weil er den Eindruck erweckt hatte, Ajatollah Chomeini werde von Anhängerinnen mit Dessous beworfen. Woraufhin das Goethe-Institut in Teheran geschlossen wurde.

Der Mann aus armen Verhältnissen, Spross einer Künstlerfamilie mit sechs Kindern, hat sämtliche Fernsehpreise abgeräumt und wohnt heute in einer umgebauten Wassermühle bei Bremen. Von Königin Beatrix wurde er 2001 zum Ritter im niederländischen Löwen-Orden geschlagen. Das war harte Arbeit, Carrell ist bekannt für seine Strenge und Professionalität, jeder Gag ist das Ergebnis disziplinierten Ringens mit sich selbst und seinem riesigen Archiv.

Rudi Carrell wird heute Abend wahrscheinlich zum letzten mal „Rampensau“ sein, doch seine Krankheit wird dank Bild und Bunte längst in der Öffentlichkeit verhandelt, inklusive düsterer Prognosen diverser Spezialisten in Weiß. Doch wie sang einst ein anderer deutscher Showstar: „Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehen“. MARTIN REICHERT