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Die Post lag im Gerümpel

■ 120 Briefe des TNT-Kurierdienstes lagen auf dem Dachboden

Reinhard L. aus Eimsbüttel wollte eigentlich nur sein Sofa auf den Dachboden stellen, als er unerwartet einen Berg Weihnachtspost erblickte. Doch leider war keiner der 120 Briefe – Universitätspost aus den Staaten, Bankschreiben aus der Schweiz und Privatkorrespondenz aus England – an ihn adressiert. Alle Briefe trugen den Stempel des Kurierdienstes TNT.

„Sofort und prompt, wenn es brennt und nichts mehr geht“, so lautet die Telefonwerbung von TNT. „Eine garantierte Laufzeit für ihre Dokumente!“ Daß dem nicht immer so ist, zeigt dieser Fall, den das Stadtteilmagazin HH19 jetzt aufgedeckt hat. Ein TNT-Kurier muß sich im Frühling vorigen Jahres die Arbeit einfach gemacht haben: Statt die Briefe beim Empfänger abzugeben, entledigte er sich der Post auf dem Dachboden in der Voigtstraße. „Ich dachte, ich gucke nicht richtig“, sagt Reinhard L., „einige Briefe sahen aus, als wenn da Flugtickets oder sogar Schecks drin wären.“

Wie konnte das passieren? Hamburgs TNT-Niederlassungsleiter Ralf Dornekott: „Wissen sie, wieviel Post wir täglich transportieren? Bei 200 Kilogramm sind 120 Briefe nur ein Bruchteil.“ Für Dornekott muß einer der Kuriere der Übeltäter sein. „Wenn ein Fahrer eine Leistung quittiert und dann die Briefe nicht austrägt, merkt man das nicht. Die Bundespost merkt auch nicht, wenn sich ein Briefträger an der Post vergeht.“

Dabei ist der TNT-Service, ein australisches Unternehmen, nicht gerade billig. Für einen 500 Gramm-Brief beispielsweise, der mit einer der 16 TNT-eigenen Maschinen binnen 24 Stunden sein Ziel in England erreichen sollte, muß man 118 Mark löhnen. Wer sicher sein will, daß sein Brief nicht auf einem Dachboden landet, kann laut TNT-Kundenberater für 210 Mark einen „Garanty-Service“ abschließen. Nach Dornekotts Angaben hat es sich in diesem Fall aber um „Mailfast-Briefe“ gehandelt. Das sind internationale Postsendungen, die TNT zum Billigtarif lediglich als Zusatzgeschäft in seinen Flugzeugen mitnimmt, um den Frachtraum auszulasten. Da die Bundespost dafür kein Monopol besitzt, darf TNT derartige Sendungen ausliefern.

Die Aufdeckung des Postskandals könnte für HH19 Folgen haben, denn TNT möchte die Finder zu Tätern machen. Gegenüber der taz erklärte Dornekott, er habe Strafantrag wegen „Fundsachenunterschlagung“ gestellt. Grund: Die Blattmacher und Reinhard L. hätten die Briefe nicht unverzüglich zurückgegeben, sondern einige Tage zurückgehalten. Jetzt hält die Kripo die Post unter Verschluß. ...........................Kai von Appen

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