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Archiv-Artikel

Die Poesie

„Poetry on the road“: Zum 6. Internationalen Gedichtfestival in Bremen stellt die taz die eingeladenen Dichterinnen und Dichter mit einem lyrischen Potpourri vor: 16 Gedicht-Anfänge aus 13 Ländern

Von grä

WELCOME TO MY FOOLISH DREAMLAND

Taras hat recht, wenn er schreibt Kein Wecker sollte uns morgens dem Schlaf entreißen. Der Morgen ist ohnehin eine Zeit des Wirren, durch und durch Wehmut, das Schlimmste, was passieren kann [...] Juri Andruchowytsch,Ukraine

Vögel Es ist neuerdings beobachtet worden, dass es jeden Tag einen Moment gibt, an dem, wie auf Verabredung, weltweit sämtliche Vögel für eine kurze Weile jeglichen Kontakt zum Boden abbrechenund sich gleichzeitig in die Lüfte erheben [...] Michael Augustin, Deutschland

Wo nichts war

Als wir uns begegneten und dein Gesicht sich erstmals reinigte von der Welt [...] Gabeba Baderoon, Südafrika

Schrumpeln wirst du wirst eine exotische Frucht sein Ich muss dich nicht vergessen Denn gleich wenn ich eingeschlafen bin gibt es dich für mich nicht mehr [...] Daniel Banulescu, Rumänien

Manhattan Magdalena! Während du in der Badewanne dir die Beine rasierst, ohne Schaum und Duft, baue ich Schiffe aus Papier und versenke sie in den Kanälen [...] Artur Becker, Polen

Café im Rilke-Haus Clara, dein Haus ist jetzt ein Café – Restauriert, konserviert – und benannt nach einem der es nie betreten hat [...] Sujata Bhatt, Indien

OHNE HÄNDE Eine achtarmige Gepäckspinne so gespannt, dass es wegen der Haken und der Spannkraft gefährlich ist, mit den Augen näher zu kommen als nötig, um sehen zu können: Das ist das Bild, das Ihnen helfen kann, das Folgende zu erfassen [...] Paul Bogaert, Belgien

Phantomgedicht Das erste, was du vergessen wirst,Ist die Stimme, eine Form Und keine Substanz. Die Seele bleibt Eine wandernde Erfahrung [...] Aris Fioretos, Schweden

Liebeslied neueren Datums Leg dein Genom auf mein Genom Komm Liebster laß uns eilen A C T G - G T C A Leg an die alten Meilen [...] Ulla Hahn, Deutschland

Das spiegelglatte Wasser widerlegt den Sturz des Körpers, der Wegstrecke war und nun Kuss ist, gehaltenvon der Kraft der Dunkelheit [...]Clara Janés, Spanien

UnterhaltungsprogrammSie fangen schon an, zu langweilen, all diese Erschütterungen. Kriege, Kriege und nochmals Kriege, man fleht um Frieden und macht Krieg [...] Tuvia Rübner, Israel

Medusas FrisörGeschwätzig wie ein Faun verstummt er erst vor seiner liebsten Kundin krault unter Seufzern hinten ihren Kopf droht mit der Schere zärtlich allen [...] Silke Scheuermann, Deutschland

INSOMNIA Überall regnet es, nur nicht hier, wo die Moskitos schwirren, und die Hupen der Autos laut heulen, durch die ganze, räudige Nacht [...] Matthew Sweeney, Irland

Olisipo Lda., Rua de Assunção, 58, 2. Etage

Glücklich in Einsamkeit erwarten mich die Jahre und ich kündige Vierzeiler an mit Reim abab weiße Prophezeiungen für jene die an verlassenen Küsten starben zwischen Steinsäulen im Nebel und Seewind. [...] Paulo Teixeira, Portugal

Ich, der VertriebeneHier bin ich wieder, ich, der Vertriebene, doch diesmal mit dem Gesicht nach unten, ins Gras gedrückt, in die schwarze westfälische Erde,in den staubigen Grunewaldsand [...] Hans-Ulrich Treichel, Deutschland

Erst wenn wir das Wunder verlieren, sehen wir es. Erst wenn uns das Leben verlassen, fassen wir es. Und solange wir etwas erleben wollen, ist es nicht erfüllt [...] Christian Uetz, Schweiz

– entgegen: entrinnen verspüre nur: taumle, ja, murmle – ein murmelnder bachlauf, so heißt es – nicht kennen, ja vielmehr: entgegen zu stürzen [...] Anja Utler, Deutschland

STÖRTEBEKER „Ich bin der neunte, ein schlechter Platz. Aber noch läuft er.“ Günter Eich noch läuft er, sieht der kopf dem körper zu bei seinem vorwärtstaumel. aber wo ist er, er selbst? in diesen letzten blicken vom korb her oder in den blinden schritten? ich bin der neunte und es ist oktober Jan Wagner, Deutschland

Am letzten Maiwochenende soll sich Bremen in einen lyrischen Freihafen verwandeln: Vom 25. bis 31. Mai sind in der Stadt 23 Autoren aus 13 Ländern zu hören; das Spektrum reicht von Schweden bis Indien und Belgien bis zur Ukraine. Neben klassischen Lesungen gibt es Lyrik mit Musik, Film und Video. Organisiert wird das Festival vom literaturforum Bremen. Zur lyrischen Einstimmung hat die taz einige Kostproben hervorgefischt. grä

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