: Die Panik der Amerikaner
Georg W. Bush muss weg, meinen viele US-Amerikaner in Berlin. Sie wollen nun ihre hier lebenden Mitstaatsbürger zur Beteiligung an der kommenden Präsidentenwahl motivieren. Unterstützt werden sie von deutschen Bush-Kritikern
Die Zeiten, in denen ein amerikanischer Präsident vor dem Brandenburger Tor stand und Worte sprach, bei denen es in der Republik allen ganz wohlig ums Herz wurde, sind lange vorbei. Heutzutage strömen „Pace“-Fahnen schwenkende Massen auf die Straße und lassen es an jeder Begeisterung für amerikanische Amtsinhaber mangeln.
Doch Dore Steinert hat von Anti-Bush-Demonstrationen genug. „Mit konkreten Mitteln für eine Abwahl des Präsidenten zu sorgen ist immer noch effektiver, als einfach über die Straße zu laufen.“ Steinert arbeitet für StreetVoiceGroup Networks, ein Netzwerk, das weltweit gemeinnützige Projekte unterstützt.
Das neueste Projekt lautet „vote 44“ und will in ganz Europa kulturelle Veranstaltungen organisieren, auf denen man quasi nebenbei die im Ausland lebenden Amerikaner zur Teilnahme an der Wahl des 44. US-Präsidenten mobilisiert. „Natürlich haben wir von dem ganzen Wahlverfahren keine Ahnung“, gibt Matt Lehitka, Gründer von „vote44“, offen zu.
Daher wird American Voices Abroad (AVA) die politische Aufklärungsarbeit übernehmen. Die AVA hatte bereits im Februar basisdemokratische Kandidaten-Vorwahlen in Berlin organisiert (taz berichtete). Der Zusammenschluss in Deutschland lebender US-Amerikaner versteht sich als parteilose Organisation, aber das Ziel ist klar: Bush muss weg. Und John Kerry ist der einzige Kandidat, der eine reelle Chance hat. „Natürlich können die Leute auch jemand anderen wählen“, meint Matt Phil, AVA-Mitbegründer. Aber seine Mitglieder hätten bereits „regelrecht Panik“, dass der demokratische Kandidat wieder so knapp scheitern könnte wie beim letzten Mal.
Damals hatten dem Demokraten Al Gore knapp 400 Stimmen zum Wahlsieg gefehlt. Die Gültigkeit vieler Wahlstimmen war mehr als umstritten. Republikanische Wahlhelfer hatten noch in letzter Minute E-Mails an US-Militärbasen in aller Welt verschickt und die Soldaten aufgefordert, ihre Stimme abzugeben.
Da es in den USA kein Einwohnermeldeamt gibt, müssen sich Wahlwillige in Listen eintragen, die von Bundesstaat zu Bundesstaat variieren. Auf den Veranstaltungen, die „vote44“ organisiert, wird es daher Stände geben, an denen sich US-Bürger über die Wahlmodalitäten informieren und die entsprechende Wahlliste gleich mitnehmen können.
Matt Phil glaubt zwar nicht daran, dass sich unter einem demokratischen Präsidentschaftskandidaten die zunehmende Militarisierung der US-amerikanischen Gesellschaft ändern wird. Aber er hofft, dass sich die USA wieder leichter zu einer internationaler Zusammenarbeit bewegen lassen.
Vielleicht wird es ein ähnliches Projekt wie „vote44“ auch einmal für deutsche Wähler geben. „Das ist doch hier genau dasselbe. Frag doch mal die Kids auf der Straße, was die Erst- oder Zweitstimme ist.“ Nachhilfe wird es aber zunächst nur für das amerikanische Wahlpublikum geben. Allerdings nicht am Brandenburger Tor, sondern am liebsten an der East Side Gallery. Politische Aufklärungsarbeit erfordert heutzutage eben auch einen farbenfrohen Hintergrund.
VERONIKA NICKEL