: „Die Oligarchie stürzen oder sterben“
■ Nach dem Tod ihres Guerillachefs steht die ecuadorianische Bewegung „Alfaro Vive“ vor dem Ende / Von Polizeispitzeln unterwandert wurde ein Großteil der Mitglieder festgenommen oder getötet / In der Bevölkerung findet die Bewegung kaum Unterstützung
Quito (ips/afp) - Noch im Februar dieses Jahres, als die Guerillaorganisation „Alfaro Vive“ in Ecuador anläßlich ihres dreijährigen Bestehens an geheimgehaltenem Ort vor geladenen Journalisten eine Pressekonferenz abhielt, lautete ihr Wahlspruch: „1986 - Wir werden die Oligarchie stürzen oder wir werden sterben.“ Eine neue Phase des bewaffneten Kampfes sollte beginnen. In der Nacht zum Montag nun wurde der 29 jährige Guerillachef Arturo Jarrin bei einem Schußwechsel mit der Polizei in einem Vorort der ecuadorianischen Hauptstadt getötet. Für die Aufständischen, so meinen Beobachter in Quito, be deutet das das Ende der Bewegung „Alfaro Vive“. Dem ecuadorianischen Innenminister Plaza zufolge kam es zu dem Schußwechsel zwischen drei Polizisten und drei Mitgliedern der Guerillaorganisation. Am 4.Januar war der zweitwichtigste Mann der Organisation, Fausto Basantes, getötet worden und am 11. September auch Hamet Vasconez, der Basantes abgelöst hatte. Damit sind von den fünf Führungsmitgliedern des „Alfaro Vive“ drei von der Polizei erschossen worden. Das ideologische Selbstverständnis der Guerillagruppe ist mit dem Begriff „nationalistisch“ nur unzureichend beschrieben. Von marxistischem Ideengut weit entfernt, strebte „Alfaro Vive“ Vorbild und Namensgeber General Eloy Alfaro nach, der 1895 im Interesse der liberal gesinnten Küstenoligarchie die Macht an sich riß und umfangreiche Reformen im Bildungs–, Militär– und Rechtswesen durchführte. Die Aufständischen machten in den zurückliegenden Jahren durch spektakuläre Banküberfälle und die Besetzung von Rundfunkstationen von sich reden. Unterstützt von Guerilleros aus Kolumbien, die der „Bewegung 19. April“ (M–19) angehörten, verschleppten sie in einer aufsehenerregen den Aktion vor einem Jahr in der Hafenstadt Guyaquil den einflußreichen Industriellen und Bankier Nahim Isaias. Bei einem Befreiungsversuch der Polizei wurde der Entführte und vier seiner Bewacher getötet. Mit dem Ziel einer „demokratischen“, vom Volk getragenen und antiimperialistischen „Revolution“, verstärkte die Guerilla ihre Attacken, als Ecuadors christlich–sozialer Präsident Leon Febres Cordero im August 1984 sein Amt antrat. Die Unterstützung in der Bevölkerung des Landes, das anders als andere lateinamerikanische Staaten erstmals die Erfahrung mit einer Guerilla macht, blieb aus. Eine Schwächung erfuhr Jarrin zu Anfang dieses Jahres, als sich eine Gruppe Aufständischer von der Bewegung abspaltete und unter dem Namen „Montoneros Patria Libre“ eigene Wege ging. Durch eingeschleuste Geheimdienstbeamte geriet „Alfaro Vive“ unter die genaue Kontrolle der Behörden. Anders scheinen die Niederlagen der Gruppe in diesem Jahr kaum erklärlich. 25 Angehörige, darunter nahezu die gesamte Führungsspitze, kamen in den vergangenen Monaten zumeist bei Auseinandersetzungen mit der Polizei ums Leben. In mehreren Gefängnissen des Landes werden mindestens 50 Alfaristas festgehalten. Arturo Jarrin, den die Polizei in der Nacht zum Montag in einem Versteck in Quito aufspürte, hatte ebenfalls knapp ein Jahr im Gefängnis verbracht, als er im April 1985 bei einem spektakulären Ausbruch freikam. Seither galt er als eine der meistgesuchten Personen Ecuadors, auf dessen Ergreifung die Behörden eine Belohnung von rund 60.000 Mark ausgesetzt hatten. Die Schlinge um „Alfaro Vive“ zog sich in den vergangenen Monaten immer enger, seit ein Kommando am 20. August einen Gefolgsmann aus einem Gefängnis in Quito befreite und dabei drei Polizeibeamte tötete. Militär und Polizei hoben zahlreiche Unterkünfte aus, während die Organisation im Blick auf eine vermeintlich neue Phase des bewaffneten Kampfes ihre Attacken verstärkte. Noch in der jüngsten Ausgabe eines von „Alfaro Vive“ verbreiteten Zirkulars läßt Jarrin - unbeirrt von der nahenden Zerschlagung der Gruppe - wissen: „Wir können alle sterben, aber das politische Ziel von Alfaro Vive kann nicht zerstört werden.“
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