: Die Nacht der langen Flöten
■ Das Jazzquintett „Lotz of Music“ blies im MIB-Saal gegen den Zeitgeist an
Die Querflöte ist im Jazz aus der Mode gekommen. In den 70er Jahren feierten noch Flötisten wie der klassisch angehauchte Hubert Laws oder der avantgardistische Jeremy Steig Erfolge, aber seitdem ist die Querflöte fast vollständig zum Zweitinstrument verkommen, das ein Saxophonist nur dann in die Hand nimmt, wenn besonders weiche und süßliche Klangfarben gefragt sind. Um so erstaunlicher ist die Musik des niederländischen Flötisten und Komponisten Mark Alban Lotz, der mit seiner Band am Sonntagabend im Saal der Musikerinitiative Bremen spielte. Das Wortspiel im Bandnamen „Lotz of Music“ war dabei keine leere Versprechung, denn das Quintett präsentierte tatsächlich ein sehr vielseitiges und abwechslungsreiches Programm, das vom Hard Bop über den Modern Jazz bis zu Bluesparodien und freien Improvisationen reichte.
Und immer wieder überraschte Lotz mit Techniken und Spielweisen auf seinen Flöten, die diese so expressiv und ungewohnt klingen ließen, daß man seine vorgefertigte Meinung, dieses Instrument sei für den Jazz doch allzu brav, schnell revidieren mußte. Er hauchte, sang und pfiff in die Flöten hinein, überblies sie oft und gab seinem Spiel so eine Dynamik, die man kaum für möglich gehalten hätte. Dabei wirkte er aber nie wie ein Virtuose, der unbedingt mit seiner Technik brillieren will, sonderen seine abenteuerlichen Soloexkursionen waren immer musikalisch stimmig – und er spielte sich nie auf Kosten der restlichen Band in den Vordergrund.
Einer der Höhepunkte des Abends war die Komposition „Quasimodo“, bei der Lotz auf der abenteuerlich großen Bassflöte, Saxophonist Maarten Ornstein auf der Bassklarinette und der Bassist Marius Beets einen ruhig schwebenden Teppich der tiefen Klänge webten. Ein anderes Stück mit dem Titel „Belmondo geht über den Place Pigalle“ entpuppte sich als eine melancholische, aparte Ballade, bei der Stefan Kruger mit einem sensibel und ruhig gespielten Schlagzeug glänzte. Auch Pianist Stefan Schmid überzeugte mit seinen melodisch, einfallsreichen Improvisationen – bei der Band stimmte zumindest an diesem Abend einfach alles. Und Lotz ist auch als Komponist nicht zu unterschätzen: Jedes Stück hatte eine ganz eigene Stimmung und Klangfarbe – da gab es afrikanische Rhythmen, ein lateinamerikanisches Flair und eine Hommage an Charly Parker mit dem passenden Titel „Rapping-Donna“ – alles war originell und mit einer smarten Eleganz ausgeführt. Für die leider nur etwa zwanzig Zuhörer gab es an diesem Abend wirklich „eine Menge Musik“.
Willy Taub
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