: „Die Mörder sollen verflucht sein“
Der saudische Kronprinz teilt die Macht mit den Wahhabiten. Die wieder hetzen zum Islamismus auf
aus Kairo KARIM EL-GAWHARY
Der saudische Kronprinz Abdullah zog alle Register, um die blutigen Anschläge von Riad vom Montag zur verurteilen. Als „kriminelle Metzger ohne jegliche islamische oder menschliche Werte“, als „Tiere, deren einziges Ziel es ist, Blut zu vergießen“, bezeichnete er die Attentäter. „Diese Mörder sollen auf dieser Erde verflucht sein. Ihr Schicksal kann nur das Höllenfeuer sein“, erklärte er in einer vom staatlichen Fernsehen ausgestrahlten Rede. „Die Täter“, sagte der Kronprinz, „gehören zu einer kleinen Gruppe von Abweichlern, die unserer Gesellschaft Schaden zufügen wollen.“
Doch für den Zeitungskolumnisten Khairallah Khairallah ist gerade diese Gesellschaft selbst das Hauptproblem. „Sie stellen immer noch nicht die wirklich wichtige Frage. Etwa die, warum ihre Gesellschaft solche Attentäter produziert“, kritisiert der ehemalige Redakteur der saudisch finanzierten überregionalen Tageszeitung Al-Hayat.
Das Könighaus der Sauds steckt heute in einem Dilemma, aus dem es keinen Ausweg findet. Seine ganze Macht ist auf einer traditionellen Allianz mit den ultrakonservativen wahhabitischen Religionsgelehrten aufgebaut, die dem König und seinen Prinzen die notwendige religiöse und ideologische Legitimierung liefern. Als Preis dafür bekommen die wahhabitischen Prediger Zugang zum Staatsfernsehen, dürfen die Freitagspredigten kontrollieren und eine Religionspolizei stellen, die Kleidungsvorschriften und die gesellschaftliche Trennung von Männern und Frauen überwacht. Das Problem der Sauds: So sind gerade diejenigen an der Macht, die mit ihren radikalen Predigten den ideologischen Stoff liefern, der viele junge Saudis in die Arme Bin Ladens und anderer militanter Islamisten treibt.
Das wichtigste Wort auf den Lippen der saudischen Herrscher lautet derzeit „Reform“, und gerne treffen sie sich beispielsweise mit den 104 prominenten Untertanen, die unlängst in einem Traktat einen neuen sozialen Kontrakt und eine Verfassung forderten. Im Land der Peitschenhiebe und des Köpfens mit dem Schwert als weit verbreiteter Todesstrafe wurde sogar unlängst eine erste unabhängige Menschenrechtsorganisation zugelassen. Doch jeder weiß, dass das Land sich nur wirklich reformieren kann, wenn die Herrscher zu ihrem wahhabitischen Partner auf Konfrontationskurs gehen.
Kein einfaches Unterfangen: Die konservativen islamischen Rechtsgelehrten haben gerade aufgrund der in Saudi-Arabien weit verbreiteten Angst, westliche Einflüsse könnten die Grundfesten der Gesellschaft erschüttern, das öffentliche Leben fest im Griff.
Bisher waren die Sauds daher nicht willens, die Wahhabiten vor den Kopf zu stoßen, stattdessen versuchen sie immer noch, alles unter einen Hut zu bringen. „Die Bewegung der Reform geht so schnell wie möglich voran, während gleichzeitig aber noch die bindenden Kräfte der Gesellschaft zusammengehalten werden“, fasst Außenminister Saud al-Faisal diesen zunehmend erfolglosen Eiertanz zusammen.
In Washington, neben den Wahhabiten zweitwichtigster Partner der Sauds, mehren sich indes die Anzeichen wachsender Ungeduld mit diesem Ansatz. Dort etabliert sich zunehmend eine Denkschule, nach der Reformen in Saudi-Arabien nur möglich sind, wenn das Könighaus beseitigt wird.
In den USA wird der Nutzen der Sauds neben ihrer Funktion als Lieferanten billigen Öls derzeit vor allem daran gemessen, wie die saudischen Herrscher gegen das Al-Qaida-Netzwerk vorgehen. Es dürfte nicht mehr ausreichen, wie Abdel Jubair, einer der politischen Berater des Kronprinzen, zu behaupten, dass die Saudis viel zum Antiterrorkrieg beigetragen hätten, aber das Ganze untergegangen sei, weil man es nicht an die große Glocke gehängt habe.
Washington stellt weiterhin unangenehme Fragen, die erneut mit der unheiligen Allianz der Sauds mit den Wahhabiten im Zusammenhang stehen. Zwar geht die saudische Polizei jetzt öfter direkt gegen militante Islamisten vor – erst vor einer Woche wurde ein riesiges Waffenlager ausgehoben. Es gibt aber Vorwürfe, dass Teile der Sicherheitskräfte mit al-Qaida unter einer Decke stecken. Wann immer eine Razzia vorbereitet wurde – die Islamisten waren bereits gewarnt. Hinzu kommt, dass Riad zwar damit begonnen hat, gegen die operative Ebene al-Qaidas vorzugehen und deren Verstecke und Waffenlager im Wüstenstaat aufstöbert. Doch die gesamte finanzielle und – in Form von Predigten – moralische Infrastruktur bleibt bisher im Wesentlichen unangetastet. Eine Taktik des Königshauses, die möglicherweise jetzt, nach den verheerenden Anschlägen von Riad, die mindestens ebenso gegen die Vereinigten Staaten wie gegen die Sauds gerichtet waren, noch einmal überdacht wird.