■ Press-Schlag: Die Milchbubis des Teamchefs Das gesammelte Gruselkabinett des zeitgenössischen deutschen Fußballs
PRESS-SCHLAG
Die Milchbubis des Teamchefs
Das gesammelte Gruselkabinett des zeitgenössischen deutschen Fußballs
Es ist also soweit: Die Endrunde der Fußballeuropameisterschaft beginnt. Und weil sie Gastgeber ist und sich somit nicht zu qualifizieren brauchte, spielt sogar die BR-deutsche Thekenmannschaft mit. Wer sich vor dem Anpfiff noch schnell ein Bild von „Unseren“ machen will, der sollte die 70-Pfennig-Investition nicht scheuen und sich das Duplo-Hanuta-Sammelalbum zur EURO 88 zulegen, das die auserwählten Kicker vorstellt und selbst zu Wort kommen läßt. Die Nationalelf mit dem kleinen Hunger zwischendurch:
Die Nummer Eins ist (noch) Eike „Eigentor“ Immel, der „nun beweisen will, daß er ein würdiger Nachfolger von Toni Schumacher ist“. Ein sicherlich berechtigter Anspruch, angesichts der Porsches, die er schon erfolgreich zu Schrott gefahren hat. Da könnte ein Battiston ruhig kommen. „Bodo“ Illgner ist (noch) die Nummer Zwei. „Ein Typ, der älteren Damen die Einkaufstaschen die Treppen hochträgt“ ('Kicker‘). Und nachzählen müssen die Mütterchen hernach auch nicht, denn „vom typischen Yuppie unterscheide ich mich gewaltig“.
Wie ein psychologisches Gutachten für einen Geschworenenprozeß liest sich die Duplo-Biographie des 82 Kilo schweren Jungen Jürgen Kohler: „Er war gerade 18, als er seine Autoschlosserlehre aufgab...“ So geriet er in die Abseitsfalle und landete schließlich auf dem umsäumten Rasenviereck, wo nur samstags Besuchstag ist. Guido Buchwald ist zwei Kilo schwerer und „hat immer wieder den Anschluß gefunden“. Was wohl das Mindeste ist, was man von einem gelernten Elektriker erwarten darf. Hansi Pflügler - „Der Bulle aus Freising“ - ist in der Tat „der erste Dipl.-Ing. der Nationalmannschaft“. Fachrichtung Stahlbau. Die gegnerischen Stürmer werden es zu spüren bekommen.
Berthold können wir vergessen. Auch zu Brehme ist nicht mehr viel zu sagen. Er hat sein Ziel („Einmal im Leben will ich Meister werden“) mit den Bayern bereits erreicht und kann sich eigentlich weiter seinem Hobby (neben Tennis) widmen: Essen gehen. Bei 75 Kilo sei's ihm gegönnt.
„Olaf Thon kann zu einem Boris Becker des deutschen Fußballs werden“ (Beckenbauer). Keine Frage, die Anforderungen an den Intellekt dazu erfüllt er. Seine Lieblingssängerin ist Nena, sein Hobby (neben Tennis natürlich) „Schlafen“. Verdammt ehrlich, der Bengel. Fragt sich freilich, warum er seinem Hobby auch auf dem Spielfeld so demonstrativ nachgehen muß.
Lothar Matthäus! Mit der schwierigste Fall. Der kleine Olaf hat ja noch den Kinder-Bonus. Aber Lothar, der vor Kraft kaum laufen kann? „Matthäus ist jetzt 27; da muß langsam mal was kommen“, meint Franz. Doch wie soll man ihm beibringen, daß „Elfmeter“ eben nicht heißt, das Leder elf Meter über den Kasten zu dreschen? Der Teamchef weiß sich auch keinen Rat: „Was soll ich da unternehmen? Ich kann nur hoffen.“ Ob das viel Zweck hat? Bei einem, wie gesagt, 27jährigen, der einen „Willy Michl“ als seinen Lieblingssänger angibt.
Wolli“ Wolfgang „Wutti“ Wuttke ist da aus einem ganz anderen Pfostenholz geschnitzt. Er sagt, was er denkt, will und ist: „Als Fußballer bin ich ein grenzenloser Egoist. Sonst wäre ich eben nicht Wuttke.“ Ein Mann halt, ehrlich und gradheraus, so daß selbst der eher schweigsame Ernst Happel einmal lauthals forderte: „Schafft mir den Kerl vom Hals. Wenn ich den länger ertragen muß, krieg ich's noch mit dem Herzen. Mit dem Magen hab ich's schon.“
„Des Bürschel ist net schlecht. Der wird mal einer“, soll Franz (Kaiser) bereits vor zwei Jahren von Manfred „Manni“ Schwabl prophezeit haben. Der „praktizierende Katholik“ ('Kicker‘) sieht dem ganz gelassen entgegen. Sein Motto: „Wie's kommt, so kommt's.“ Und so kam's dann auch. Kaum dem ersten Trainingsanzug entwachsen, war Manni verheiratet. Später will er dann nicht nur Tore, sondern auch Kinder machen, „mehrere, drei bis vier dürften es schon werden“. Welche drei Dinge würde er denn mit auf eine einsame Insel nehmen? „Meine Frau Marianne, einen Fußball und drei Partner zum Schafkopfspielen.“ Frauen spielen keine Karten. Und die Kinder bleiben zu Hause. Wo sie hingehören. Manni übrigens auch, hat Franz entschieden.
Rudi „Ruuudi“ Völler. Das einzige, was ihn heute noch sympathisch macht, ist seine musikalische Vorliebe für Bryan Adams. Aber der weiß ja auch nicht, wann man aufhören sollte.
Setzt spielerische Akzente“ - „Litti“ Pierre Littbarski ist damit gemeint. Bei Franz wird Litti als „hängende Spitze“ geführt. Durchhängend wäre treffender. Wenn Litti mit seinen 165 über sich hinauswächst, gehört da jedenfalls nicht viel zu. Daß er „Meat Loaf“ anhimmelt, sei bei solchen Fällen ganz normal, versichern Psychologen.
Uwe Rahn ist Serienbild-Nummer 22. Das Album muß schon vor einigen Jahren in Druck gegangen sein. Was auch daran zu sehen ist, daß die zwei einzig brauchbaren Stürmer (Klinsmann/Mill) gar nicht darin vorkommen. Gut, die gehören eigentlich zur Olympia-Auswahl. Und die spielt ja bekanntlich Fußball.Rüdiger Grothues
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