: Die Mieter bleiben meist außen vor
■ In der Leipziger Straße sollen zwei Hochhäuser nicht an die Bewohner, sondern an einen Baron verkauft werden / Ost-Mieter betrachten Privatisierung bislang eher skeptisch
„Empört“ über seinen Vermieter zeigte sich ein Bewohner der Leipziger Straße 46/47 Ende November. Der Plattenriese in Berlins Mitte soll von der Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM), erfuhren die MieterInnen aus der Presse, zum Jahresende verkauft werden. Insgesamt 700 Wohnungen in zwei Doppelhochhäusern hat die WBM im Zusammenhang mit dem Altschuldenjunktim der Bundesregierung in der Leipziger Straße auf der Transferliste. Die Mieter freilich bleiben außer vor, der glückliche Gewinner im Verkaufsroulette heißt Derschau, ist Baron, wird vom einst Regierenden und Ex-Immobilienhai Walter Momper beraten und will zusätzlich zu den 60 Millionen Kaufpreis 30 Millionen in die Instandsetzung der Plattenbauten stecken. Zwar beteuert der Geschäftsführer der WBM, Falk Jesch, die Privatisierung sei im Sinne der Mieter wasserdicht, und keine der Wohnungen dürfe in den nächsten 30 Jahren in eine Eigentumswohnung umgewandelt werden, doch die Mieter bleiben skeptisch. Sie fordern nun, das Umwandlungsverbot ausdrücklich im Grundbuch festzuhalten.
Daß es im Zusammenhang mit der „Altschuldenhilfe“ auch zu Privatisierungen an dritte kommt, hält Berlins Bausenator Wolfgang Nagel (SPD) für unausweichlich. Der Senator betont jedoch, daß die Gefahr einer „großflächigen Verdrängung“ nicht gegeben sei. Schließlich sei die Kündigungsfrist bei Eigenbedarf erst vor kurzem auf zehn Jahre verlängert worden. Nagels Optimismus freilich bleibt nicht ungeteilt. Bereits Anfang Dezember kritisierte die baupolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Grüne, Elisabeth Ziemer, daß der Senat mit der kurz zuvor erfolgten Übertragung des bislang nur verwalteten Wohnungsbestandes in den nunmehrigen Besitz der Wohnungsbaugesellschaften erst die Voraussetzungen dafür geschaffen habe, Mietwohnungen zu verscherbeln.
Nagels wohnungspolitischer Gegenspieler, Finanz- und Privatisierungssenator Elmar Pieroth (CDU), jedenfalls hat das Angebot begriffen und schleunigst weitergereicht. Bis Jahresende, schrieb Pieroth in einem Brief an die Wohnungsbaugesellschaften, sollen möglichst viele Wohnungen an private Investoren verkauft werden. Die bis Dezember geltenden Abschreibemöglichkeiten für die Käufer, versuchte er sein Anliegen schmackhaft zu machen, würden sich mit Sicherheit in einem erhöhten Kaufpreis niederschlagen. Doch der Beginn des Privatisierungsfeuerwerks kurz vor Silvester hat noch einen anderen Hintergrund: Nach dem 1. Januar müssen die Wohnungsbaugesellschaften die zum Verkauf stehenden Wohnungen zuerst den bisherigen Mietern anbieten. Die jedoch, das zeigen die Erfahrungen der letzten Jahre, haben bisher wenig Interesse an den verschiedenen Mieterkauf-Modellen gezeigt. Der Grund: Die Instandhaltungspauschale beträgt nach Aussage des Deutschen Mieterbundes in den neuen Ländern fast genausoviel wie die bisher bezahlte Miete – zusätzlich zum Verkaufspreis. Uwe Rada
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