: Die Meisterin tritt ab
Cornelia Reinauer will ihr Amt als Bürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg bei der Wahl im September nicht verteidigen. Linkspartei hat kaum Chancen, Wahlerfolg von 2001 zu wiederholen
VON CHRISTOPH VILLINGER
Der 1. Mai ist traditionell ein Großkampftag in Kreuzberg. Danach ist erst einmal Durchatmen angesagt. Der Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg reicht das jedoch nicht mehr aus. Cornelia Reinauer gab gestern beiläufig bekannt, dass sie bei der Wahl im September nicht erneut als Bürgermeisterkandidatin der Linkspartei.PDS antreten wird. „Ich habe mir für mein Leben vorgenommen, alle elf bis zwölf Jahre etwas anderes zu machen“, begründete Reinauer ihren Schritt. Vor elf Jahren war sie – damals als Gesundheitsstadträtin von Marzahn – in die Kommunalpolitik eingetreten.
Eigentlich könnte sich Reinauer gelassen zurücklehnen. Schließlich hat sie zusammen mit AnwohnerInnen und ihrer Mitarbeiterin Silke Fischer das Myfest organisiert. Das hat in den letzten Jahren maßgeblich dazu beigetragen, die Gewaltausbrüche am 1. Mai deutlich zurückzudrängen. Zu Recht betrachtet Reinauer das Myfest als einen ihrer größten Erfolge.
Doch der politische Alltag hat die 53-Jährige in ihrer Amtszeit seit 2002 aufgerieben. Je mehr Verantwortung die PDS übernahm, desto stärker waren die Widersprüche in ihrer Partei. „Der Spagat zwischen Kreuzberger Hausbesetzer-Milieu und Friedrichshainer Plattenbau-BewohnerInnen wird für mich immer schwieriger“, klagte die gebürtige Schwäbin etwa nach der Besetzung des Bethanien.
Zudem wird ihre Partei für die Umsetzung der Sparbeschlüsse des rot-roten Senats und der Bundesregierung verantwortlich gemacht. Das schafft im rebellischen Kreuzberg nicht unbedingt Sympathien.
So glaubt auch die Linke.PDS nicht, ihren Wahlerfolg von 2001 mit knapp 30 Prozent der Stimmen im Bezirk wiederholen zu können. Der basierte wesentlich auf einer Proteststimmung gegen die zwar bereits abgewählte, aber immer noch präsente große Koalition in Berlin sowie den gerade in den Tagen der Wahl beginnenden Afghanistankrieg. Im Herbst 2006 dürfte sich insbesondere in Kreuzberg ein Teil dieses Wählermilieus der WASG zuwenden, ein anderer Teil zu den Grünen zurückkehren.
Das Vorrecht, den nächsten Bürgermeister zu nominieren, hat stets die stärkste Fraktion im Bezirk. Dabei dürften diesmal SPD oder Grüne die Nase vorn haben. Die SPD erreichte 2001 im Bezirk rund 26 Prozent, die Grünen 22,5 Prozent. Letztere setzen in Friedrichshain-Kreuzberg auf den derzeitigen Baustadtrat und früheren Bürgermeister von Kreuzberg, Franz Schulz. Dagegen will die SPD mit ihrer Sozialstadträtin Sigrid Klebba als Bürgermeisterkandidatin punkten.
Für die Linke.PDS will nun die derzeitige Sozialstadträtin Kerstin Bauer das Bürgermeisteramt erobern. Zusammen mit dem Vorsitzenden der BVV-Fraktion, Knut Mildner-Spindler, zieht sie als Doppelspitze in den Wahlkampf. Beide sollen bei einer Versammlung der Bezirkspartei am 20. Mai nomieniert werden. Den späten Termin entschuldigte Mildner-Spindler mit dem „Warten auf die WASG“.
Auch Reinauer selbst hat schon Pläne für ihre Zukunft. „Ich bewerbe mich als Direktkandidatin in meinem Wohnbezirk rund um den Chamissoplatz für das Abgeordnetenhaus“, sagte sie gestern. Wegen eines Streits um die vom grünen Baustadtrat vertreteten Neubauprojekte an der Bergmannstraße rechnet sie sich Chancen aus. Schon bei der Bundestagswahl 2005 war sie als Direktkandidatin für die Linke angetreten. Da jedoch scheiterte sie deutlich am grünen Politstar Christian Ströbele.