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Die Mehrwertsteuer

Ein Beispiel, wie der Staat Familien mit Kindern abzockt

Das Kindergeld wird zum 1. Januar um 30 Mark pro Kind erhöht. Vielleicht ging diese Erhöhung auch deshalb so glatt, weil der Staat schon immer mit der Mehrwertsteuer besonders bei Familien mit Kindern zugelangt hat.

Stellen wir uns eine Familie mit drei oder vier Kinder vor. Sie benötigen Windeln, anschließend Tempos für die ständig laufenden Nasen, öfter Pflaster und Medikamente für die Kinderkrankheiten und viel Waschpulver. Alles dies wird mit dem Normalsteuersatz von 16 Prozent besteuert und nicht mit sieben Prozent wie zum Beispiel das Genussmittel Kaffee! Kinder brauchen einen Kinderwagen, danach einen Sportwagen, das erste Fahrrad, das zweite Fahrrad. Alles einschließlich der Reparaturen wird mit 16 Prozent abgerechnet. Kinder benötigen Kleidung und Schuhe, die oft rasend schnell zu klein werden, sie benötigen Spielzeug, CD-Player und damit auch CDs und irgendwann den ersten Computer (16 Prozent).

Zwar ist die Wohnungsmiete steuerfrei, nicht aber Gas und Strom mit 16 Prozent und Wasser mit sieben Prozent. [...] Und gönnt sich unsere Familie einmal einen Besuch in der Pizzeria, so ist auch hier der volle Steuersatz fällig. Selbst im Freizeitpark hält der Finanzminister mit 13,74 Prozent (spezieller Steuersatz des Phantasialandes) seine große Hand bei den Familien besonders weit auf.

Da schaut man als Familienvater schon neidisch auf ein gut verdienendes Ehepaar ohne Kinder. Sie geben zum Beispiel Geld für Blumen aus, wofür nur sieben Prozent Mehrwertsteuer verlangt werden. Sie gehen regelmäßig in die Staatsoper (null Prozent), haben viel Zeit für drei Tageszeitungen (sieben Prozent) und Bücher (sieben Prozent). Selbst die teuersten Luxuslebensmittel oder das Katzenfutter dieser Besserverdiener wird mit sieben Prozent geringer besteuert als das Klopapier oder Waschpulver einer kinderreichen Familie. Und selbst beim Aktienkauf verzichtet der Staat auf jegliche Besteuerung des Umsatzes.

Eine Überarbeitung der Mehrwertsteuersätze ist mehr als überfällig, da sich seit 1968, als sie eingeführt wurde, Gewaltiges am Warenkorb verändert hat. ANDREAS THIEL, Bielefeld

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