■ Standbild: Die Maschine lebt
„Die Droge Dampf“,
Sonntag, 22.30 Uhr, ARD
Zu Beginn von Niklaus Schillings Spielfilm „Rheingold“ berichten Schrifteinblendungen über die Vergangenheit des titelgebenden Zuges, der seit den zwanziger Jahren zwischen Hoek van Holland und Genf verkehrt. Gedreht wurde der Film 1977, im damals hochmodernen, weiland gar von „Kraftwerk“ besungenen TEE. Heute stehen die schnittigen schwarzroten Zugmaschinen bereits in Museen und wecken beim Betrachter nostalgische Gefühle.
Wohl nicht von ungefähr war besagtem Spätfilm die Reportage „Die Droge Dampf“ vorangestellt. Der Autor Matthias Koch hat sich passionierten Zugbegleitern beigesellt und sie bei ihren wochenendlichen Vergnügungen beobachtet. Hunderte von Kilometern legen sie zurück, um die letzten Dampfloks in ihrer natürlichen Umgebung fotografieren und filmen zu können. Selbst ein japanischer Lokführer auf Europatrip geriet ins Blickfeld der Kamera und auch ein Rollstuhlfahrer, der seine Behinderung seinem Hobby verdankt und es sich dennoch nicht nehmen läßt, Eisenbahnmotive in aller Welt abzulichten.
„Die Maschine lebt richtig“, „sie hat etwas von Kraft und Tradition an sich“, „es raucht, es schnauft, es ist meistens schmutzig“, schwärmen die Fans der imposanten Kolosse und rümpfen die Nase über Diesel, Elektronik und ICE. Fotogen schlängeln sich die historischen Züge durch thüringische Landschaften, rote Räder und schwarze Tender, verwitterte, rußgeschwärzte Gestalten in den Führerhäusern – Kochs Kameramann hatte eine dankbare Aufgabe. Freilich geriet der bemerkenswerte wirtschaftliche Aspekt nicht außer acht. Zum einen ist der Handel mit Paraphernalien ein Millionengeschäft; zum anderen sichert die Wartung der stählernen Riesen – alle sechs Jahre verlangt der TÜV eine komplette Überholung – Arbeitsplätze und den Erhalt des notwendigen Fachwissens. Allein eine Frage blieb am Ende der ergiebigen halben Stunde offen: Ob wohl die vorwiegend von Männern gehegte Leidenschaft für die fauchenden Maschinen womöglich so zu interpretieren ist, wie es Hitchcock in der letzten Einstellung von „Der unsichtbare Dritte“ tat... Harald Keller
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