: Die Macht des Tränenflusses
kucken se ma auf bremens leinwänden: „Bollywood/Hollywood“ oder der Baseball-Handschuh des Schicksals
Wo mag wohl ein Film herkommen, der versucht, satirisch Konventionen aus den beiden größten Traumfabriken zu vereinen? Natürlich aus Kanada! Die Filmemacherin Deepa Mehta lebt seit den 70er Jahren in Toronto, und in deren indischer Gemeinde siedelte sie ihren Film an, der auch „Pretty Women in a Sari“ oder „My Big Hot Indian Wedding“ heißen könnte.
Von den Schönen, Reichen und Erfolgreichen wird sowohl in Bombay wie auch in Los Angeles gerne erzählt, und so nimmt es kaum Wunder, dass der Held des Films, Rahul Seth, ein hübscher Millionär ist, der zusammen mit seiner Familie in märchenhaftem Luxus lebt. Und wenn er sich verliebt, dann natürlich in ein Supergirl namens Kimberley, das als „die kanadische Britney Spears“ Erfolge feiert. Aber Rahuls Familie besteht darauf, dass er eine Inderin heiratet, und Kimberley stirbt schnell einen jener in indischen Melodramen so beliebten, tragischen Tode.
Da kann der Held nicht gleich die nächste Schickse anschleppen, aber er muss möglichst schnell eine Verlobte präsentieren, weil seine in anderen Umständen schwellende Schwester sonst ihrerseits nicht heiraten darf. In einer Bar trifft er die „Hostess“ Sue – die sagt „Ich werde alles sein, was du wünscht.“
Und schon sind wir in der schönsten indischen „Pretty Woman“-Variante. Es geht hoch her und alle 15 Minuten beginnt jemand plötzlich zu singen und zu tanzen. Die Showeinlagen, auf die man in Bollywood zu Recht stolz ist, wirken hier ein wenig mickrig – für die dort üblichen verschwenderischen Dekorationen und tanzenden Hundertschaften hat schlicht das Geld nicht gereicht, und Metha hatte auch nicht die abgedrehte Phantasie, die diese Sequenzen im indischen Kino zu surrealen Kitschorgien werden lassen.
Dafür lässt sie mit viel boshaftem Witz die östliche und die westliche Traumwelt miteinander kollidieren. Die herrschsüchtige Großmutter etwa, die in Bollywood nie fehlen darf, zitiert hier pausenlos Shakespeare, und wenn mit Liebesgedichten geworben wird, sind diese hier nicht in Hindi, sondern im Spanisch von Pablo Neruda.
Schön sind auch die Erscheinungen von Rahuls verstorbenem Daddy (für die in Indien statt Computeranimationen noch schlichte Doppelbelichtungen reichen), der in den Ratschlägen an seinen Sohn westliche Sport-Metaphern und östliche Weisheiten mischt, wobei dann solche Kostbarkeiten wie „Du hältst den Baseball-Handschuh des Schicksals in deiner Hand“ entstehen.
Deepa Metha kennt offensichtlich sowohl das US-amerikanische wie auch das indische Unterhaltungskino genau. Nur wirklich zu mögen scheint sie sie nicht, und deshalb hebt ihr Film nie wirklich ab. Als Parodie jedoch funktioniert er sehr gut, und es gibt viele gute Lacher.
Wenn ein triviales Machwerk allerdings wirklich gelingen soll, dann muss man sich ganz dem Gerne ausliefern, und diesen Schritt scheut die Regisseurin: Sie scheint immer ein wenig die Nase über ihren eigenen Film zu rümpfen. Sie ist weder naiv noch zynisch genug, um dem Publikum mit aller Macht die Tränen herauszudrücken, aber darauf kommt es letztlich an, in Bolly- und in Hollywood.
Wilfried Hippen
Do-Sa um 20.30 Uhr und So - Di um 18.00 Uhr im Kino 46