■ Vorschlag: Die Legende von Münchhausen in den beiden Staatsbibliotheken
Der Lügenbaron Münchhausen ist kein Hirngespinst, es gab ihn wirklich! Als Offizier der russischen Zarin überlebte er zwei Türkenkriege und ließ sich mit 30 Jahren als Landedelmann in Bodenwerder nieder. Hier vertrieb er sich bei geselligen Anlässen seine Zeit damit, allerlei Jagd- und Kriegsabenteuer aus Rußland zu schildern, deren Wahrheitsgehalt man jedoch bezweifeln mußte.
Anläßlich des 200jährigen Todestages dieses Mannes, mit dessen Namen die unglaublichsten und dreistesten Lügengeschichten verbunden sind, zeigt die Stiftung Preußischer Kulturbesitz eine zweiteilige Ausstellung in den beiden Gebäuden der Staatsbibliothek. Im Haus Unter den Linden geht es vor allem um die Entstehungsgeschichte des erfolgreichen Buches. Denn es war keineswegs Münchhausen selbst, der seine Geschichten zu Papier brachte. Dazu bedurfte es noch einiger anderer lügenverliebter Zeitgenossen, die seine Phantasien aufschnappten, ausschmückten, niederschrieben und ohne seinen Willen und sein Wissen veröffentlichten.
Anhand zahlreicher bibliophiler Ausgaben des Münchhausen zeigt die Ausstellung recht eindrucksvoll, daß diese an der Schwelle zur Moderne angesiedelten Abenteuer nicht das Werk eines Literaten, sondern als work in progress verschiedener Autoren entstanden sind. Zwischen 1780 und 1840 hat man sich europaweit immer wieder der Figur des Münchhausen bedient, um Geschichten von der Überlistung der Naturgesetze und dem Handeln wider jeder Vernunft zum besten zu geben – nicht zuletzt aus der Motivation heraus, der verbissenen Ernsthaftigkeit des aufklärerischen Zeitalters ein Schnippchen zu schlagen. Sinnfällig dafür ist die Anekdote von der Rettung aus dem Sumpf am eigenen Zopf, mit der die Autonomiebestrebungen des Subjekts spöttisch aufs Korn genommen werden.
Ergänzt wird dieser Teil der Ausstellung durch einen weiteren, der in der Stabi an der Potsdamer Straße zu sehen ist. Hier werden die Illustrationen der Münchhauseniaden präsentiert, deren Geschichte beinah so alt ist wie die der literarischen Vorlage. Zahlreiche Künstler in aller Welt haben die Reisen des Münchhausen immer wieder in verschiedenen Stilrichtungen und Drucktechniken bebildert. Unter ihnen befinden sich immerhin Zeichner wie Gustave Doré, Wilhelm Busch und Alfred Kubin. Katja Stopka
Noch bis zum 14. März, Unter den Linden 8, Berlin-Mitte
Potsdamer Straße 33, Tiergarten, Mo.–Fr. 9–21 Uhr, Sa. 9–17 Uhr
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