piwik no script img

Die Kunst des Umbruchs

■ Reform unter Sparzwang: Berliner Hochschule der Künste strukturiert um

Sie ist 23, studiert Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation (GWK) und wird später einmal als Konzeptionerin in einer Werbeagentur arbeiten. Sie spielt kein Instrument und hat auch noch nie einen Pinsel geschwungen und ist dennoch eine typische Studentin der Hochschule der Künste (HdK) in Berlin.

Dreißig Studiengänge bietet die HdK, von der Architektur bis zur visuellen Kommunikation, von der Malerei bis zum Musical, von experimenteller Filmgestaltung bis zum szenischen Schreiben. Das Angebot an künstlerischen Fächern an der Hochschule der Künste ist so groß wie nirgendwo sonst in Deutschland. Doch die Hochschule beschränkt sich nicht auf nur den Lehrbetrieb. Mit bunten, schrägen Projekten mischt sie sich immer wieder in den Berliner Alltag. Zum Beispiel mit der Ars Digitalis, einer Veranstaltungsreihe zur elektronischen Kunst. Dort haben Studenten Mitte Oktober versucht, mit schrillen Großprojektionen strengen Gebäuden der Stadt eine neue, ganz andere Gestalt zu geben. Oder das Architekturprojekt „IN-BETWEEN“. Auf der Suche nach Heimat in der Metropole Berlin, stellt es im Wintersemester herkömmliche Auffassungen von Stadtgestaltung in Frage. Natürlich gibt es eine endlose Reihe von Musikkonzerten, Theateraufführungen und Ausstellungen.

Die HdK entstand 1975. Um die kreativen Potentiale der Fachrichtungen zu vernetzen, schlossen sich damals mehrere Vorläuferinstitutionen zusammen. Doch anstatt die neuen Möglichkeiten zu nutzen, wurde in vielen Köpfen eher das Nebeneinander inszeniert. Erst die jüngsten Sparvorgaben des Senats brachen die teilweise arg verkrusteten Strukturen auf. Um die Fachbereiche für Architektur und Schauspiel von der Abschußliste zu retten, rang sich die HdK nun zu einer rigorosen Strukturreform durch. Statt elf wird es daher künftig nur noch vier Fachbereiche geben: Die Studiengänge wurden in die Bereiche Bildende Kunst, Gestaltung, Musik und Darstellende Kunst zusammengefaßt.

Erst im März hatte der Akademische Senat nach zweijähriger Debatte die Reform beschlossen. Die Sparpolitiker der großen Koalition waren begeistert und trieben die Künstler zur Eile: Mit dem Wintersemester ist die neue Struktur Gesetz. „Eigentlich sollte die Reformierung erst in einem Jahr gelten“, ärgert sich Nine Faber, Sprecherin des Asta der HdK. Jetzt gebe es zwar die neue Struktur. Für inhaltliche Reformen sei jedoch nicht genug Zeit gewesen.

Faber bedauert, daß der Umbruch erst durch das Spardiktat Wirklichkeit wurde. Studentische Initiativen gab es nämlich schon seit langem. Bereits 1990 hatten Studierende die Gründung des Interflugs-Büros durchgesetzt. Das Institut ist bundesweit einzigartig: Es wird von den Studierenden selbst verwaltet. Durch eine Gesprächsreihe mit interessanten KünstlerInnen aus aller Welt machte es sich einen Namen. John Cage zum Beispiel gab noch kurz vor seinem Tod im Garten der HdK eine stille Performance. Auch die Freie Klasse, die ohne professorale Betreuung arbeitet, und das studentische Videomagazin TV 1.98 werden von Interflugs unterstützt. Studenten können sich dort auch technische Geräte für selbstorganisierte Projekte ausleihen. Doch trotz der internen Öffnung der HdK steht kurioserweise gerade das interdisziplinär arbeitende Interflugs-Büro mal wieder vor dem finanziellen Aus. Die Projektmittel fielen dem Haushaltsstopp zum Opfer.

Ohnehin hat sich die Idee des institutsübergreifenden Arbeitens in vielen Bereichen der Kunsthochschule noch nicht durchgesetzt. Vor allem bei den individualistisch denkenden Professoren des Bereichs Bildende Kunst vermutet Nine Faber große Bauchschmerzen. „Aber wer jetzt nicht mitzieht, verliert an Einfluß“, meint ihr Asta- Kollege Hagen Damwerth. Der Studiengang Architektur zum Beispiel sei nun Teil des Fachbereichs Gestaltung. Erstmals wurden auch die HdK-Mitglieder anderer Studiengänge eingeladen, an den Architekturprojekten mitzuarbeiten. Vor allem Architekten und Designer haben hier zusammengefunden.

Nur der Studiengang Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation (GWK) bleibt noch außen vor. „Mit unseren meist wissenschaftlich-theoretischen Inhalten waren wir schon immer ein eher unbeliebter Randbereich der HdK“, meint eine GWK-Studentin. So bleiben für die GWKler die aus dem Keller dröhnenden Klänge der Jazz-Studenten zumindest vorläufig die direkteste Begegnung mit anderen Ausdrucksformen der Kunst. Gereon Asmuth

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen