piwik no script img

■ Wie die Deutsche Bank Industriepolitik betreibtDie Kapitalismusfalle

Einzig die Deutsche Bank scheint noch zu glauben, sie betreibe keine Industriepolitik. Aber allen Dementis zum Trotz: Die Deutsche Bank hat über ein Jahrzehnt lang ihr eigenes Stahlkonzept erfolgreich umgesetzt – bei Klöckner, bei Hoesch und nun auch bei Krupp und Thyssen. 1983 hatte der spätere Deutsche-Bank-Chef Herrhausen das Triumvirat der „Stahlmoderatoren“ angeführt. Mit ihrer Industriebasis, einem Megamix aus Kredit und Hausbankfunktion, aus Aktienbesitz und Depotstimmen, reiht sich das DB-Stahlkonzept heute in die neoliberale Offensive aus Bonn und Frankfurt ein: Postreform, Steinkohle und Stahl sind Aktivposten in diesen Wochen, Aktienrechtsnovelle, Steuer- und Gesundheitsreform weitere. Im Ergebnis entpuppt sich die neoliberale Offensive jedoch als eine Defensivstrategie aus Fusionen, Stillegungen und Rationalisierung. Bezeichnenderweise spricht niemand davon, den 10-Milliarden- Kredit, der für den Thyssen-Aufkauf weiterhin bereitsteht, in realwirtschaftliche Investitionen umzuleiten.

In Anbetracht der dramatischen Situation kommt die Reaktion der SPD allzu matt daher. Schade, denn immerhin hatte sie in der Vergangenheit mehrfach Gesetzentwürfe gegen die Bankenmacht vorgelegt, zuletzt im Januar 1995. Und die waren durchaus innovativ: So will die SPD den Kern der Bankenmacht, das Depotstimmrecht, auf unabhängige Aktionärsvertreter übertragen. Die Zahl der Aufsichtsratsmandate soll pro Banker auf fünf beschränkt werden, und, wichtiger noch, es sollen die personellen Verflechtungen mit mehreren Unternehmen einer Branche unterbunden werden. Die Deutsche Bank sitzt heute noch flächendeckend in sämtlichen Stahlkonzernen.

Die SPD-Richtung stimmt. Aber ein wenig mehr Dynamik darf es schon sein. Am Ende werden aber weder die Industriepolitik der Deutschen Bank noch ein SPD-Bankengesetz hinreichen, um der ökonomischen Falle zu entgehen. Gerade die laufende Stahldiskussion zeigt: Wir rennen nicht in eine Globalisierungsfalle – wie ein populäres Buch nahelegt –, sondern in eine Kapitalismusfalle: Immer bessere Technik und immer mehr Kapital stehen immer weniger Menschen in Arbeit und einer (relativ) sinkenden Nachfrage gegenüber. Kein Trost, daß dies ebenso die Deutschbanker selbst trifft. 1997 wird der DB-Vorstand im eigenen Haus 2.000 Arbeitsplätze vernichten. Hermannus Pfeiffer

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen