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Die Jusos werben mit Kondomen aus „100 % Naturlatex“ um die Jungwähler, die JU setzt auf High-Tech und Fred-Feuerstein-Plagiate / Die Jugendlichen interessieren sich allerdings immer weniger für diese Organisationen. Hans Monath

Achtung, Latexallergiker!

Vor drei Jahren suchte Helmut Kohl zuletzt Hautkontakt mit einem Juso. Weil der Protestierer den Kanzler in Halle mit Eierwürfen empfing, wollte der ihm prompt an den Kragen. Im Wahlkampf 1994 läßt der CDU-Chef den SPD-Nachwuchs weitgehend unbeachtet.

Herausforderer Rudolf Scharping dagegen sucht die Junge Union (JU) durch Freundlichkeit zu lähmen. Seit deren Leute den SPD-Kanzlerkandidaten bei seinen Wahlkampfauftritten regelmäßig mit zwei Meter hohen Plastikrasierern (Motto „Politik ohne Bart“) empfangen, reagiert der Kandidat nach Berichten der Störer mit säuerlichem Lächeln und Einladungen zum gemeinsamen Cola-Trinken.

Die Szene ist symptomatisch: Frecher als die Junge Union verkauft keine westdeutsche Nachwuchsorganisation im Wahlkampf die Politik der Mutterpartei. Bei Presseterminen preisen JU-Chef Hermann Gröhe und CDU-Generalsekretär Peter Hintze ihren Verein ohne erkennbare Gewissensbisse als Alleinvertreter der Jugend: „CDU und Fortschritt sind Synonyme“ (Hintze). In ähnlich arroganten Formulierungen aalte sich vor zwanzig Jahren noch die linke Konkurrenz.

Noch bei der Hamburger Bürgerschaftswahl Ende des vergangenen Jahres war die CDU bei den jüngeren Wählern hinter den Alternativen und SPD auf Platz drei gelandet – für JU-Chef Gröhe damals ein „Alarmzeichen“. Inzwischen posaunt CDU-Generalsekretär Hintze stolz herum, seine Partei sei bei der Europawahl die Nummer eins bei den männlichen Jungwählern zwischen 18 und 25 gewesen – eine Einschätzung, die freilich interpretationsbedürftig ist: Die Jungen nämlich würden die Regierung Kohl mit großer Mehrheit abwählen (siehe Interview).

In ihrer Werbung versucht sich die Junge Union in Methoden, mit denen einst der politische Gegner die kulturelle Hegemonie in Schule und Uni errang: Kreativität und Provokation, Witz und Selbstironie.

Dem Freund von Kanzlerversprechungen etwa verhilft die JU mit der Compact Disc „Blooming Landscapes“ zu akustischen Erlebnissen. Der gegen den SPD-Chef gerichtete Einwegrasierer „Sharpshaver“ fand reißenden Absatz und wurde, auf Postkarten aufgeklebt, 130.000mal verteilt.

Konsequenter als andere haben sich die Jungkonservativen und die CDU in ihren Materialien den Wahrnehmungsweisen und Medien der Jungen angepaßt: Nicht nur Kinospots in Fred-Feuerstein- Manier und Radiowerbung mit stampfenden Discorhythmen („Die CDU ist mächtig im Trend“) bieten sie an, sondern auch ein bestechend gut gemachtes Computerprogramm mit Animationselementen und dem Regierungsprogramm der CDU (Auflage: 35.000).

Meilenweit entfernt von der Geschlossenheit der JU beim Kampf um Bundestagsmandate ist die Führung der Jusos, auch wenn laut Geschäftsführerin Anke Stille die Motivation ihrer Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfer inzwischen „sehr gut“ sein soll. Schon die Unterstützung Scharpings war im Verband umstritten. Vorsitzender Thomas Westphal versuchte seine Leute mit der Bemerkung anzustacheln, der SPD-Chef verkörpere „keine junge Politik, sondern Langeweile 2000 mit Problemlösung Null“.

Auch mit der Öffentlichkeit tut sich der sozialdemokratische Nachwuchsverein schwerer als die Konkurrenz. Die meisten Schlagzeilen brachte den Jungsozialisten in diesem Jahr die Drohung der südhessischen Bezirkschefin Nina Hauer ein, ihre Promenadenmischung „Lobo“ aus Protest gegen die Kurdenabschiebungen zu vergiften.

In ihrem Wahlkampf setzt die SPD wie die CDU Werbemittel ein, die gezielt junge Leute ansprechen sollen, etwa Kinospots, Computerdisketten und Kondome. Einen eigenen, neuen Ansatz probieren die Jusos allerdings mit der langfristig angelegten Kampagne „Bewegung kommt von links“, die nicht auf die Bundestagswahl zugespitzt ist und zum Mitmachen animieren soll.

Auch Bisky, Gysi und Heym können auf die Unterstützung des PDS-Nachwuchses zählen. Daß die jungen Kapitalismuskritiker, denen das SED-Erbe beim besten Willen nicht anzulasten ist, mit Irokesenschnitt und radikalen Forderungen aufs Podium treten, scheint die im Osten überalterte und nostalgisch gestimmte Wählerschaft ihrer Mutterpartei nicht zu stören.

Den relativ stärksten Rückhalt in der jungen Generation können sich ohnehin die Bündnisgrünen zugute halten. Aber auch die einstmals jüngste Kraft im Parlament muß sich inzwischen von einer eigenen Nachwuchstruppe Trägheit vorwerfen lassen. Die Sprecherin des grün-alternativen Jugendbündnisses (GAJB), Birgit Spohn, sieht die Gefahr, „daß der Wahlkampf der Grünen an den Jugendlichen vorbeilaufen kann“ und kritisiert die „Anbiederung an andere Parteien“. Mit CDs, Computerprogrammen und Kinospots hat die 18jährige nichts am Hut: „Der technisierte Wahlkampf erschreckt mich.“

Jugendliche sind für Politik durchaus zu begeistern. Zum Dortmunder Aktionstag „Jugend will Zukunft“, zu dem die Falken und die DGB-Jugend gemeinsam mit 22 anderen Organisationen eingeladen hatten, kamen am vergangenen Wochenende 15.000 junge Leute. Nur CDU und die sonst so selbstbewußte Junge Union glänzten in dem regierungskritischen Umfeld durch Abwesenheit – angeblich kam die Einladung zu spät.

An mangelndem politischem Interesse liegt es also nicht, wenn junge Leute sich nicht an Politverbände binden wollen. Von allen politischen Jugendverbänden konnten nur die Jungen Liberalen ihre Mitgliederzahl von 10.000 in den vergangenen Jahren halten. Die zwei großen Organisationen, Jusos (140.000 Mitglieder) und Junge Union (175.000), dagegen erodieren und vergreisen zunehmend. Abgeschreckt werden die Jugendlichen durch verknöcherte Strukturen und mangelnde Gestaltungsmöglichkeiten.

Paradoxerweise ist die Ära Kohl ausgerechnet der Jungen Union am schlechtesten bekommen. Bei der Regierungsübernahme der CDU vor zwölf Jahren hatte der konservative Verband fast doppelt so viele Mitglieder (325.000) wie heute. Wenn der von der JU mit allen High-Tech-Mitteln herbeigetrommelte Wahlsieg der Union am 16. Oktober Wirklichkeit wird und der Mitgliederschwund so weitergeht wie bisher, dann muß sich die CDU 1996 für den nächsten Wahlkampf eine Jugendorganisation mieten.

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