piwik no script img

■ QuerspalteDie Jahre zwischen Momper

Ausschußsitzungen, Mitgliederversammlungen, Klausurtagungen. Klaus Böger hat alles gegeben, dabei sogar schwärende Sitzfleischveränderungen – im Altenpflegerjargon: „Dekubitus“ – riskiert. Doch statt des apparatgestählten Fraktionsvorsitzenden ist nun der windige Ex-Regierende Walter Momper SPD-Spitzenkandidat für die Berliner Wahlen im Herbst. Und der ließ am Sonntagabend seinen Kontrahenten wissen: „Du bist und wirst immer die Nummer zwei bleiben.“

Wahrscheinlich wollte der Sieger dem Unterlegenen nur bedeuten, daß er ihn nicht in die Ortsgruppe Düppel-Ost zurückstoßen und sein Büro plus Zimmerpflanze atomisieren werde. Es klang allerdings, als hätte Uli Hoeneß gerade Christoph Daum die Marschrichtungszahlen durchgegeben. Aber wenn Böger die Nummer zwei war, ist und für immer sein wird, wer war – vor Momper, das heißt, nach Momper – wer war dann zwischen Momper die Nummer eins? Schwierig. Wenn wenigstens auch mal ein SPD-Führer einen Kosmetikartikel klauen würde! Den Namen hätte man sich wenigstens gemerkt: „Dzembritzki, das war doch der mit dem Mascara-Stift! Dieser Hirni! Man entfernt doch das Sicherungsetikett!“ Aber so haben die Sozis nicht mal einen Trottel anzubieten. Dagegen wirkt selbst Diepgen charismatisch.

Obwohl, wir wollen nicht ungerecht sein: Klaus Böger hat auch einiges gesagt. Sogar im Regionalfernsehen. Aber die Basis hat alles wieder vergessen. Schade. Die meisten Funktionäre waren für Böger. Er hat mit ihnen dieselben Plenen durchlitten, ist wie sie nächtelang in der Kuschelkoalition versumpft. Unter Genossen nennt man das Solidarität.

Zu wenig gegen Walter Momper. Den Mann mit dem roten Schal. Die Mitglieder haben es beschlossen: Was von der Berliner SPD des ausklingenden Jahrhunderts bleiben wird, ist ein fusseliger roter Fetzen Stoff. Mit Synthetikanteil womöglich. Keine Fahne. Aber wenigstens etwas. André Mielke

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen